Allgemein Hintergrund

Ein Leben mit Kunsthandwerk

Im Jahr 2023 durfte das GRASSI Museum für Angewandte Kunst insgesamt 1.766 Objekte aus den Bereichen Kunsthandwerk, Design, Grafik, Buch und Fotografie als Schenkungen für seine Sammlungen entgegennehmen. Darunter, zum Beispiel, 65 Stücke als Übereignung des Ehepaars Gudrun und Volker Schneider aus Freiburg. Diese wunderbaren Objekte repräsentieren eine individuelle Chronologie der Rezeption überwiegend deutschen Kunsthandwerks seit den 80er Jahren. Als lebensbegleitende Sammlung, die zumindest in den ersten Jahrzehnten keineswegs bewusst als Sammlung konzipiert wurde, ist sie von den ganz persönlichen Vorlieben und ästhetischen Vorstellungen des Paares geprägt und folgte keinerlei Strategie oder Systematik.

Schon als Jugendliche begeisterten sich beide für Handwerkliches, er für Holzarbeiten, Malen und Zeichnen, sie für Textiles. Im Studium und den ersten Berufsjahren, gemeinsam die erste Wohnung einrichtend, wuchs ihr Interesse für Einrichtungen und Möbeldesign. 1978, mit der Gründung der alle drei Jahre wiederkehrenden Triennale des zeitgenössischen deutschen Kunsthandwerks vom Museum für Kunsthandwerk Frankfurt am Main und anderen Partnerinstituten, war ihre Aufmerksamkeit für das Kunsthandwerk vollends geweckt. Sie gehörten fortan zu den regelmäßigen Besuchern der Triennale und der vielen anderen Schauen und Märkte in diesem Bereich, an denen sich Gudrun Schneider später teilweise auch als erfolgreiche Ausstellerin ihrer eigenen aufwendigen Webarbeiten präsentierte.

Der Naturwissenschaftler Volker Schneider folgte dem Ruf als Professor für Biologie und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. 1990 gründete er zusammen mit Kollegen den Studiengang Gesundheitspädagogik, den er bis 2005 leitete. Gudrun Schneider verfolgte ihre Ausbildung zur Textilgestalterin an der heutigen Hochschule für Gestaltung in Basel. Ihre intensive Beschäftigung mit Farbe und Grafik, ergänzt durch einen Färbekurs bei Sandoz und Gewebeuntersuchungen im Museum der Kulturen beförderten ihr Interesse für Gestaltung mit Farbe und für japanische Ikat-Weberei. 1979 bis 2000 hatte Gudrun Schneider einen Lehrauftrag für Textilgestaltung an der PH Freiburg, verfasste mehrere Sachbücher zum Pflanzenfärben und Weben und arbeitet seit 1984 freischaffend als Weberin. Seit 1986 ist sie ein über die Maßen engagiertes Mitglied des BdK – dem Bund der Kunsthandwerker Baden-Württemberg.

Stillleben mit Porzellangefäßen von Christine Hitzblech und Sangkoung Lee

Selbst dieser nur skizzenhaft dargestellte Lebenshintergrund verdeutlicht, wie fundiert die Passion des Ehepaar Schneider für das Kunsthandwerk ist, dem sie begeistert einen Ehrenplatz in ihrem Leben einräumten. Gudrun Schneider war Keramik und Porzellan besonders zugetan, hier besonders den puristischen Gefäßformen und Unikaten, z. B. von Herbert Wenzel, Christine Hitzblech und Christine Wagner, Hosanna Gomez da Costa, Fritz Roßmann oder von Anette Schwarte. Volker Schneider wiederum freute sich an Glas, wie die aufwendigen Objekte von Sabine Mescher-Leitner oder Jörg Fritz Zimmermann zeigen. Beim Schmuck machten sie gemeinsame Sache. Hier interessierte sich das Paar besonders für außergewöhnliche Materialien und Techniken, jenseits traditioneller Schmuckkonventionen – Autorenschmuck, den sie auch in der Wiener Galerie Slavik erwarben. Ringe von Rainer Milewski, Halsschmuck von Sabine Kranz, Annette Lechler, Dorit Schubert, Susanne Högner, Simone Beck, Cäcilie Davidis, Eva Doerenkamp sowie Schmuckstücke von Stefano Marchetti, Ramon Puig Cuyas und Karl Vonmetz zählen zu diesem kostbaren Konvolut. Natürlich ist auch eine erlesene Gruppe von 22 wunderschönen Ikat-Geweben von Gudrun Schneider selbst ist Teil der Schenkung, aber auch Textilien von Ann Richards, Nora Feruzzi sowie Jun und Noriko Tomita.

Den Aspekt individueller Liebhaberei unterstreichen einzelne Objekte wie eine Intarsiendose von Ulrike Scriba, ein emaillierter Glas-Briefbeschwerer von Freia Schulze, ein Kreisel von Armin Kolb und das Täschchen „Petit Virage Nr. 1“ von Ulrich Czerny. „Weil wir gerne schöne Dinge um uns haben, haben wir gekauft, was uns gefiel. Dabei haben wir auf handwerkliche Qualität, Funktionalität und klare Gestaltung geachtet,“ berichtet Gudrun Schneider, „wir habe auf den Messen gekauft, an denen ich teilgenommen habe, sind auch zu kunsthandwerklichen Ausstellungen gefahren und haben von Reisen öfter etwas mitgebracht: Eine Sammlung war nie unser Ziel. Wir haben gekauft, was Teil unseres Lebens werden sollte.“

Sammlerpaar Gudrun und Volker Schneider

Teil des Lebens ist aber auch das zunehmende Alter und das Versiegen der Kräfte. Die Freude, mit der das Ehepaar Schneider mit dieser einzigartigen Sammlung kunsthandwerklicher Unikate gelebt hat, findet kein Echo im Familien- und Freundeskreis. Gudrun Schneider verbrachte ihre Kindheit bis zum 12. Lebensjahr in Sachsen. Das Museum kennt sie darüber hinaus auch als Ausstellerin der GRASSIMESSE und unterstreicht, wie wichtig für ihre Entscheidung die lange Tradition des GRASSI als Museum für Kunsthandwerk ist. „Wir wollten gerne unsere Arbeiten an einem Ort sehen, an dem Kunsthandwerk die Hauptrolle und nicht eine Nebenrolle spielt.“

Also schien es für das Ehepaar Schneider nur folgerichtig, seinen kunsthandwerklichen Nachlass dem GRASSI Museum für Angewandte Kunst in Leipzig zu übergeben, wo dieser mit großer Freude und Wertschätzung empfangen und in die kostbare Sammlung des Museums integriert wird.