Ausstellung

Die Symbiose aus Kunst, Architektur und Leben – im Gespräch mit Kurator Thomas Moecker

BAUHAUS_SACHSEN, der Beitrag des GRASSI Museums für Angewandte Kunst zum 100. Jubiläumsjahr des Bauhauses, ist durchaus überraschend. Das Bauhaus scheint oberflächlich betrachtet keinen relevanten Zusammenhang mit Sachsen zu haben. Doch diese große Sonderausstellung, die in ihrer klugen Inszenierung historischer wie zeitgenössischer Artefakte eine Fülle an Verbindungen offen legt, beweist das Gegenteil. Sachsens Industrie und Verlagswesen, seine Museen und Sammler, seine intellektuellen Köpfe und Arbeitervereinigungen erwiesen sich als potente Partner für die Kunstschule und ihre Absolvent/-innen. Darüber hinaus waren einige prominente Bauhäusler gebürtige Sachsen und wirkten hier. Speziell zum Grassimuseum unterhielt das Bauhaus fruchtbare Kontakte und auf diese, wie auf die Werke sächsischer Bauhäusler/-innen und ihre prägenden Meister, richtet sich der Fokus dieser spannenden Ausstellung.

Thomas Moecker | Foto: Schnuppe von Gwinner

Ich treffe den Künstler Thomas Moecker, der gemeinsam mit Direktor Dr. Olaf Thormann die Schau BAUHAUS_SACHSEN kuratierte. Sein Schwerpunkt lag auf der Ausstellungsgestaltung. Er konzipierte die Installationen und inszenierte die Dialoge zeitgenössischer Künstler mit den historischen Bauhaus-Objekten. Während unseres gemeinsamen Rundgangs wird mir sehr schnell klar wie inspirierend die Diskurse dieses Kuratoren-Duos verlaufen sein müssen, deren sichtbares Ergebnis vielschichtig gedachte Verbindungen der Exponate zu ihrer Historie und zu unserer Gegenwart offenlegt.

Der Ausgangspunkt dieser fruchtbaren Zusammenarbeit liegt in einer Ausstellung zum Jahresanfang 2018, als Thomas Moecker gemeinsam mit Martín Daiber und Sebastian Gögel in der Leipziger Galerie Josef Filipp die Ausstellung „Neues Haus Neue Welt“ zeigte. Der Titel berief sich – bekennend – auf die Monographie „Neues Haus Neue Welt“ des Architekten Erich Mendelsohn, der seine Villa, das Landhaus Am Rupenhorn Nr. 6 (erbaut 1928/29) zu einer Ikone der Moderne stilisiert. Hier geht es um ein genreübergreifendes Gesamtkonzept, über die Symbiose von Kunst, Architektur und Leben, so wie es auch das Credo des Bauhauses war: „Die Welt neu denken“. Dies war den zeitgenössischen Künstlern Inspiration für besagte Ausstellung und ließ schließlich Dr. Thormann die Kooperation mit Thomas Moecker für BAUHAUS_SACHSEN suchen.

Vitrinen-Detail | Foto: Schnuppe von Gwinner

Ganz selbstverständlich tritt hier die formale Präsentation hinter die Inhalte zurück und leitet doch subtil und folgerichtig durch die Ideenwelt des Bauhauses. Ein dreiviertel Jahr habe er in seinem 1:50 Modell gelebt, berichtet Thomas Moecker. Er schwärmt von dem Moment, als alle Bauten ihre vorbestimmte Position bezogen und sich dann als gelungen erwiesen haben. Viele Elemente entwickelte er aus vorher schon anders genutzte Materialien, die auch in den kommenden Ausstellungen wieder Verwendung finden müssen. „Wenn man so ein großes Konzept entwirft muss man auch die kleinsten Teile darin berücksichtigen, damit es gelingen kann“. Viele kostbare Exponate gehören hinter Glas. Die Vitrinen des Museums versah er, angeregt durch ein Foto aus der Bauhaus-Ausstellung aus dem Jahr 1923 in Weimar, mit einem doppelsinnigen „Bauhaus-Kick“, indem er schwarze Gestelle aus Vierkanthölzern bauen ließ und in die Glaskuben stellte. Im Zusammenwirken mit der Beleuchtung ergeben sich sehr attraktive Schattenwürfe. „Diesen schönen Effekt konnte man dann nicht mehr voraus denken“ gibt Thomas Moecker beglückt zu.

Ausstellung Orangerie | Foto: Esther Hoyer

Für die Orangerie, dem hinteren Bereich der Sonderausstellung, entwickelte er eine, durch das einfallende Außenlicht zauberhaft beleuchtete, schwungvolle Architektur. Die extra für diese Ausstellung neu gewebten Bauhaus-Stoffe – Gittertüll und Wohntextilien – erlebt man hier als elegante Raumteiler, die überhaupt nichts von der Spießigkeit ihrer Nachfolger in den 50er und 60er Jahren des Wirtschaftswunders erahnen lassen. Auch hier stand eine historische Präsentation Pate: Im Auftrag des Vereins deutscher Seidenwebereien entwarfen und realisierten Mies van der Rohe und Lilli Reich im Jahr 1927 einen Repräsentationsstand für die deutsche Seidenindustrie, nun Vorbild für diese Inszenierung.

Die kraftvolle Fortführung der Bildräume der Bauhäusler durch die eigens für diesen Ort und zu diesem Thema beauftragte junge Leipziger Künstlerin Oskar Rink findet ebenfalls eine angemessene Bühne. Und ist gleichzeitig spannendes Gegenüber zu einer Reihe dokumentarischer Fotografien von Joachim Brohm, Professor für Fotografie in Leipzig. Sein Motiv ist das 1:1 Modell des niemals real erbauten Krefelder Golfclubs von Mies van der Rohe, das 2013 von einem belgischen Architekturbüro als temporäre Kulisse auf ein Feld gestellt wurde. Thomas Moecker schätzt den unterkühlten und distanzierten Charakter dieser dokumentarischen Arbeit, vergleicht sie mit dem Porträt einer Persönlichkeit. Die Größe der Bedeutung fotografischer Arbeiten wächst insofern, als der reale Eindruck vermutlich ein ganz anderer gewesen wäre. Und wir stellen fest, dass eigentlich immer nur das Bild überlebt – und die Geschichte.

Instalation Felix Bielmeier Fotografien Haus Rabe | Foto: Schnuppe von Gwinner

Wie weit das ganz konkret führen kann, berichtet Thomas Moecker, als wir vor den Fotografien von Felix Bielmeier stehen. Dieser hatte Gelegenheit, Aufnahmen in dem von Oskar Schlemmer geprägten Haus Rabe in Zwenkau zu machen. Diese Fotografien unterlaufen mit ihrem subjektiven, verträumten Eindruck die Architektur des Hauses. Eine Bild verwies auf die Existenz eines interessanten, verschränkt verlegten Linoleum-Fußboden, den Tomas Moecker sofort für die Ausstellungsinstallation umsetzen ließ. Es handelte sich jedoch um eine Doppelbelichtung, die er für das Bild einer wahren Situation gehalten hatte – was dann erst in einem späteren Gespräch aufgelöst wurde. Er lacht: „Dann sollte es so sein“ und der so verlegte Fußboden in der Ausstellung passt wirklich perfekt.

Felix Martin Furtwängler 2.Bauhaus-Grafikmappe | Foro: Schnuppe von Gwinner

Welche Rolle spielt die Auswahl der künstlerischen Reflexionen in dieser klar dokumentarisch ausgerichteten Ausstellung der Bauhaus-Originale? Die Beiträge der ausgewählten zeitgenössischen Künstler – ohne Genrebegrenzung – sensibilisieren in ihrem Dialog mit den historischen Artefakten für die Wahrnehmung der Aktualität der innovativen und bahnbrechenden Bauhaus-Ideale. Zum Beispiel die Arbeit der Künstlerinnen Judith Raum und Katharina Jebsen, die jahrelang in internationalen Archiven zu Bauhaus-Textilien recherchierten und deren neuen Erkenntnisse die Grundlage für Neuwebungen von Bauhaus-Stoffen ein Highlight dieser Ausstellung bilden. Auch die zweite, in den 1920er Jahren zwar angekündigte aber nie erschienene Bauhaus-Grafikmappe, erfreut sich heute, nun aber in der Version des zeitgenössischen Malers und Grafikers Felix Martin Furtwängler, allergrößter Beliebtheit bei den Besuchern der Ausstellung. Oder die Gefäß-Montagen von Lutz Könecke, eines Urenkels von Otto Lindig, deren wesentliches Anliegen die ästhetische Erforschung des Raumes – des Innen und Außen – ist und die ganz offensichtlich ihre Inspirationsquelle nicht verleugnen können.

Alexander Meschtschanow, Detail “Bopparder Kanapee” | Foto: Schnuppe von Gwinner

Bleibt die Möbelassemblage „Bopparder Kanapee“ von Alexej Meschtschanow im Zentrum der Ausstellung. Wie eine Riesenprothese umfassen weiß lackierte Rohre eine Gruppe historischer Stühle, vom Trödler, vom Dachboden, Kranke aus fernen Epochen. Doch bei genauerem Hinsehen tragen die Stühle die Prothese, nicht umgekehrt. Was ist das entscheidende Momentum, das für die Wichtigkeit dieses Objektes in dieser Ausstellung spricht?
Wie kommt man zu Ergebnissen?“ fragt Thomas Moecker. „Man be- und hinterfragt das Alte, das was da ist. Die Entwicklung von Sitzmöbeln reicht über Jahrtausende zurück. Unser Verständnis eines modernen Sitzmöbels ist der moderne Stuhl. Und in den Epochen vor uns waren dies die modernen Stühle. Von Hierarchie bis Handwerkskunst steckt da alles drin. Aus der Welt dieser Stühle haben die Bauhäusler ihre Stühle entwickelt.“ Das „Bopparder Kanapee,“ von Alexej Meschtschanow veranschaulicht dem Besucher sehr eindringlich, auf welchem Humus die Ideen des Bauhauses gewachsen sind – und vermag unsere Anerkennung für die vielen mutigen Schritte in eine bis heute gültige Moderne erheblich zu steigern.

Die Ausstellung BAUHAUS_SACHSEN läuft noch bis zum 29.09.2019

Programm-Empfehlungen:

Am Sonntag den 19.05.2019 ist internationaler Museumstag auch im GRASSI Museum für Angewandte Kunst 

15 Uhr: Alexej Meschtschanow spricht über sein Werk
Führung durch die Sonderausstellung BAUHAUS_SACHSEN

18 Uhr “der Gasmann” in der Fimreihe BAUHAUS_SACHSEN – weitere Filme noch bis zum 09.06.2019