Hintergrund

Das Foyer in neuem Licht

Das Gebäude des heutigen Grassimuseums wurde vom ehemaligen Leipziger Stadtbaurat Hubert Ritter entworfen und zwischen 1925 und 1929 als einzigartiger Tempel der Neuen Sachlichkeit – kombiniert mit Schmuckformen des Art déco – in rotem Rochlitzer Porphyr erbaut. Dieser Stein prägt auch das Foyer des Museums für Angewandte Kunst, das in den vergangenen knapp 100 Jahren in seiner Grundanmutung zwar bestehen blieb, in etlichen Details aber immer wieder umgestaltet wurde. Diese Eingriffe betrafen die Aktualisierung der Raumbedürfnisse – wie z. B. leichte Grundrissveränderung zu Gunsten des Cafés. Auch die Wiederherstellung historischer Architekturelemente, wie z. B. im Haupttreppenhaus die Josef-Albers-Fenster, aber auch den Einbau moderner Türen, technisch bedingte Änderungen im Deckenbereich, der Einbau unterschiedlichster Leuchtmittel, der Fahrstühle und vieles mehr. Heute reflektiert das Foyer eine, aus den Erforderlichkeiten unterschiedlichster Maßnahmen gewachsene, Lebendigkeit, die nicht unbedingt einen kohärenten Raumeindruck vermittelt.

Lichtinstallation Foyer GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig | Thomas Moecker & Dr. Olaf Thormann | Foto: Schnuppe von Gwinner

Schon länger gab es Seitens der Museumsdirektion die Idee, durch eine Lichtinstallation die Atmosphäre und Aufenthaltsqualität des Foyers aufzuwerten. Für diese Maßnahme empfahl sich – nachdem Fördermittel für das Projekt beschafft waren – wieder der Künstler Thomas Moecker. In einer ersten Zusammenarbeit mit dem GRASSI Museum für Angewandte Kunst trat er als Gestalter der äußerst gelungenen Bauhaus-Ausstellung im Jahr 2019 hervor. Auch die Schmuck+Image-Ausstellung 2022 und die Schau illustrierter Bücher Von Bonnard bis Klemke 2023 trugen die Handschrift seiner souveränen Präsentationsgestaltung. In der Ständigen Ausstellung, die im vergangenen Winter durch unterschiedliche künstlerische Interventionen inspirierend ergänzt wurde, übernahm Thomas Moecker die Aufgabe, aus Trümmer-Fragmenten historischer Glasmalereien vier neue Kompositionen zu schaffen, die an ihren sorgsam gewählten Standorten in subtile Korrespondenz mit den Exponaten treten. Nun also die neue Licht-Inszenierung „Punkt vor Strich“ für das Foyer des Museums.

Lichtinstallation Foyer GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig | Thomas Moecker | Foto: Schnuppe von Gwinner

Thomas Moecker werden Aufgaben angetragen, die nicht nur den Künstler, sondern auch den ebenso praxisorientierten wie pragmatischen Gestalter und Kurator in ihm herausfordern. Sie beinhalten auch die intensive Beschäftigung mit den Ansprüchen technischer Umsetzung. Ihm liegt es ganz offensichtlich, mit der Kunst auch gleich deren Präsentation und wiederum deren Umsetzung mitzudenken. In Kooperation mit den Verantwortlichen des GRASSI werden seine Skizzen und Vorschläge diskutiert und umgesetzt. Da liegt noch manche Idee in der Schublade, um zum Einsatz zu kommen.

Lichtinstallation Foyer GRASSI Museum für angewandte Kunst Leipzig | Foto: Esther Hoyer

 

Auch die jüngst fertiggestellte Lichtinstallation „Punkt vor Strich“ durchlief einen langwierigen Prozess, an dessen Ende sie nun so selbstverständlich ganz besondere Akzente im Foyer des Museums setzt. In der Halle sausen tageslichthelle Neonlinien unter der Decke entlang. Sie nivellieren mit eleganten Gesten die unterschiedlichen Ebenen der darüber liegenden Raumdecke. Sie verbinden den durch massive Pfeiler geteilten Hauptraum mit dem Seitenschiff wie die Lichtlinien nächtlicher Scheinwerfer auf einer Fotografie in Langzeitbelichtung. Als eine Art intuitives Leitsystem durchmessen sie dynamisch den Raum. Im Seitenschiff lädt der Ruhebereich mit Sitzmöbeln von Rudolf Horn ein. Hier flattern geometrische Formen in Primärfarben wie die Wäsche im Wind über die Weite der weißen Wand. Sie werden von leuchtend roten, abstrakt-gestischen Zeichen überschrieben. Fast möchte man diese Komposition aus opaken Farbflächen und intensivem Licht als Gedankenblitze, geistige Assoziationen oder Gesprächsfetzen interpretieren. Die tauchen gewiss auf, sobald man sich auf einem der bequemen Sitzmöbel niedergelassen hat, um Gesehenes zu überdenken oder gedankenverloren dem lebendigen Treiben im Foyer zu folgen.