Hintergrund

Europäischer Tag der Restaurierung

Dies ist der Tag für die ganz Neugierigen! Hier erfahren Sie unter anderem wie ein kleiner, türkiser Keramiklöwe aus Persien, den man bisher ins 14. Jahrhundert datierte, als eine veritable Fälschung entlarvt wurde. Dem Chefrestaurator des GRASSI Museums für Angewandte Kunst, Christian Jürgens, ist er inzwischen richtig ans Herz gewachsen, weil man so viele spannende Geschichten über ihn erzählen kann. Der Löwe und viel viele andere Objekte stehen im Mittelpunkt des Interesses, wenn am Sonntag den 13.Oktober 2019 die Restauratoren der drei Museen im GRASSI in Leipzig von 11 bis 15 Uhr anlässlich des Europäischen Tages der Restaurierung zu einem Blick hinter die Kulissen einladen.

Unter dem Motto „Gesichert: die Spuren der Zeit“ werden die Besucher erkennen, dass zeitgemässes Restaurieren eine facettenreiche Wissenschaft mit hohem Anspruch ist, in der sich historisches und naturwissenschaftliches Wissen mit handwerklichem Knowhow verbindet um uns erstaunliche Geschichten und Hintergründe über alle nur denkbaren Artefakte zu erschließen.

Restauratorin Ilona Faust: Spezialistin für Keramik und Glas

Heute bemühen sich die Restauratoren darum, originale Substanzen bestmöglich zu konservieren, und damit auch ihre wertvollen materialisierten Informationen zu bewahren. Unsere heutigen Fragen an die Objekte sind wohlmöglich ganz andere als die, die man in Zukunft stellen wird. Sich ständig weiter entwickelnde Forschungsmethoden eröffnen immer neue Horizonte. So gibt man den Objekten ihr authentisches, dem Original nahe kommendes Erscheinungsbild wieder und lässt die restauratorischen Eingriffe, mit möglichst reversiblem Materialeinsatz, erkennbar.

Chefrestaurator Christian Jürgens erklärt den Wegemesser, 1575, von von Thomas Rückert

Darüber hinaus wird, zumindest im musealen Sammlungszusammenhang, jedes Artefakt von einer akribischen Dokumentation begleitet. Sie umfasst den Kontext, die Provenienz, mögliche Literatur und den technologischen Befund sowie die Beschreibungen voraus gegangener Restaurierungen – Reparaturen früherer Jahrhunderte, die häufig dem Zeitgeschmack folgende Verschönerungen waren und nicht selten die Zerstörung originaler Substanz voran getrieben haben.

große Schale aus Persien, 17. Jh. (Schenkung Dr. Walter Schulz, 1898)

Doch wie weit geht man? Ein Haufen verschmutzter Scherben kann heute gereinigt und so zusammen gesetzt werden, dass man das Objekt in seiner wieder hergestellten Schönheit genießen kann. Die wissenschaftlichen Analysen, die wesentlich zur Deutung von Herkunft und Gebrauch, zur Erschließung der Objektgeschichte geführt haben, versammeln sich in der opulenten Objekt-Dokumentation und im Konzentrat einer kleinen Beschreibung des Objektes in der Vitrine. So wird das Paradigma des sich selbst erklärenden Objektes über Bord geworfen. Nur durch seine Dokumentation lässt es sich in Gänze erschließen und versetzt den Besucher in Staunen.

Zum „2. Europäischen Tag der Restaurierung“ laden die drei Museen im GRASSI –  Angewandte Kunst, Musikinstrumente, Völkerkunde – zu einem vielfältigen Informationsprogramm ein. Christian Jürgens wird die Besucher durch die Restaurierungswerkstätten für Möbel, Glas, Keramik, Metall und Textilien begleiten. Letztere wird einen Eindruck von den umfangreichen Vorbereitungen zur kommenden Ausstellung „History in Fashion – 1500 Jahre Stickerei in Mode“ vermitteln. Man wird natürlich dem schon erwähnten Löwen sowie diversen keramischen Gefässen begegnen, aber auch technologischen Wunderwerken: dem Wegemesser von 1565 oder dem beeindruckenden Mechanismus eines historischen Türschlosses aus Gotha.

Prunkschloß von Hans Mensel, 1652

Der Begriff „präventiver Restaurierung“, der für die Restauratoren des GRASSI Museums für Angewandte Kunst eine zentrale Rolle spielt, wird den Besuchern hier im direkten Umfeld der Werkstätten sehr plausibel. Sie schafft Bedingungen, die für die Erhaltung der Objekte und ihrer materiellen Informationen wesentliche Bedeutung haben. Schließlich offenbart sich im Angesicht der Werkräume auch, dass zeitgemäße Restaurierung mit wissenschaftlichen Anspruch ohne technologischen Fortschritt undenkbar wäre. Ihr verdanken wir unglaublich spannende Objektgeschichten, die zugleich Kultur- und Technologie-Geschichten sind und uns das Faszinosum menschlicher Kreativität einmal mehr eindrucksvoll vor Augen führen.

Restauratoren-Arbeitsplatz

Seit Mitte der siebziger Jahre ist das Fach Restaurierung eine Studiengang, den man heute in Deutschland an neun Hochschulen studieren kann: „Das Studium hat eine stark wissenschaftliche Komponente und beinhaltet sowohl den Erwerb fachbezogener Kenntnisse als auch Elemente aus benachbarten Disziplinen. So stehen auf dem Lehrplan beispielsweise die Konservierung und Restaurierung in Theorie und Praxis, die Geschichte und Ethik der Restaurierung, Methodik und Dokumentation konservatorisch-restauratorischer Maßnahmen sowie Werkstoffkunde und Kunstgeschichte, aber auch naturwissenschaftliche Untersuchungsverfahren aus den Bereichen Mikrobiologie, Chemie und Physik.“

Sonntag 13.10.2019

11.00-15.00 Uhr

EUROPÄISCHER TAG DER RESTAURIERUNG

Gesichert: Die Spuren der Zeit
Die drei Museen im GRASSI laden anlässlich des Europäischen Tags der Restaurierung zu einem Blick hinter die Kulissen ein.
Der Eintritt ist frei.

11.00 | 12.30 | 14.00 Uhr

Die Studentin an der Hochschule für Bildende Künste, Cathrin Wieduwild, wird im Vortragsraum der Bibliothek ihre Diplomarbeit vorstellen: „Die Restaurierung eines Gemäldes des 18.Jhs – kunsttechnologischer Befund – Objektgeschichte und Erhaltungszustand – Konzepterstellung – Durchführung der Konservierung und Restaurierung.“