Ausstellung

Hubert Kittel: Ein Leben für Porzellan und Glas

Die aktuelle Foyerausstellung im GRASSI Museum für Angewandte Kunst lohnt mehr als nur einen neugierigen Blick. „HUBERT KITTEL: EIN LEBEN FÜR KERAMIK UND GLAS“ titelt die Beschriftung – ein ganzes Leben! Hier versammeln sich wahrhaftig sehr beredte Zeugnisse jüngster Zeit- und Designgeschichte, die alle Aufmerksamkeit verdienen.

Hubert Kittel studierte 1973–1979 in den Fachgebieten Industrielle Formgestaltung und Gefäßgestaltung an der Hoch­schule für industrielle Formgestaltung Halle – Burg Giebichenstein und arbeitete von 1980 bis 83 als Designer bei den Vereinigten Porzellanwerken Colditz. Ab 1983 ging er als Assistent im Fach­bereich Keramik an die Kunsthochschule Berlin-Weißensee und kehrte als Oberassistent im Fach Gefässgestaltung an die Burg nach Halle zurück. Nach der Wende, 1994, übernahm er die Professur in seinem Fach und bildete bis 2016 unzählige Studierende als Produktgestalter in Porzellan und Glas aus. Besser gesagt, er unterstützte, motivierte und begeisterte sie durch seine fachliche Kompetenz und sein großartiges Engagement und eröffnete ihnen damit tatsächliche, reale Perspektiven für eine erfolgreiche berufliche Zukunft.

Blick durch die Vitrinen, vorne Kindergeschirr, hinten Speisepuzzle | Foto: Schnuppe von Gwinner

Die Foyerausstellung zeigt eine andere Facette, nämlich ausgewählte Arbeiten in Porzellan, Keramik, Glas und Holz des Produktgestalters Hubert Kittel. Diese, in einem Zeitrahmen von 1977 bis 1999 entstanden, sind geprägt von der Zeitenwende in der jüngsten deutschen Designgeschichte. Im Eigenauftrag und als eigenständige Themenentwicklung startete der junge Hubert Kittel seine Projekte, stellte sie dem Amt für industrielle Formgebung der DDR (AIF) vor, das dann die gestalterischen Entwicklungskosten übernahm und ihm die Gelegenheiten ermöglichte, gewerkübergreifend, am Plan vorbei, mit verschiedenen Werkstätten und Manufakturen zu kooperieren. Gerade in der Endzeit der DDR, so beschreibt es Kittel, war die Designförderung für für Angestellte wie ausgewählte freischaffende Designer erstaunlich großzügig.

Man war daran interessiert zu zeigen, dass innovative, moderne, zeitgenössische Designideen in der DDR unbedingt Weltniveau hatten. Während die traditionellen Porzellanmanufakturen historische Reproduktionen für den Export herstellten spielte im Geschirrbereich das Design durchaus eine Rolle. Um auf der nächsten Kunstausstellung neben der gängigen Industrieproduktion originelles und innovatives Design zeigen zu können, wurden Neuentwicklungen gezielt gefördert.

Hubert Kittel, Kindergeschirr | Foto: Schnuppe von Gwinner

Das Geschirrprogramm für Kinder, inspiriert durch seine damals noch kleine Tochter, wurde quasi nachträglich als Auftragsarbeit für den Rat des Bezirkes Halle deklariert um so auf der Bezirkskunstausstellung Halle 1984 präsentiert werden zu können. Für die Erstellung der Prototypen kam es wieder zu diversen Kooperationen mit unterschiedlichen Werken, doch dann blieb die Kleinserienherstellung – übrigens bis heute – bei ihm selbst. Nur von 1990 bis 1992 wurde das Kinderporzellan bei Rhönporzellan Stadtlengsfeld bis zu deren Pleite produziert.

Huper Kittel: Speisepuzzle mit Entwurfszeichnung | Foto: Schnuppe von Gwinner

Als eine Fantasiestudie für einen Essplatz begann Hubert Kittel die Kabaretts der Mitropa oder Betriebskantinen neu zu denken, zu ordnen zu strukturieren und zu variieren. Seine modulare Geschirrstudie aus dem „Porzellanelementeprogramm SPEISEPUZZLE“ wurde schließlich zur Auftragsarbeit für die AG Gedeckter Tisch (VBK/AIF), die von Staats wegen Forschung und Analyse zum gedeckten Tisch der Zukunft betrieb, Entwicklungsaufträge vergab und gestalterische Entwicklung finanzierte. Zwischen 1984 bis 1986 arbeitete Hubert Kittel an einer Variante in weißem Porzellan auf einem Holztablett in Esche natur.

Hubert Kittel: Speisepuzzle – farbige Version | Foto: Schnuppe von Gwinner

In der Vitrine steht die überarbeitete und weiterentwickelte, coolere Wende-Version von 1987 bis 1990 in kunterbunter Farbigkeit der einzelnen Geschirrteile gegenüber, die elegant von einem breiten, schwarz lackierten Tablettrand umrahmt werden.

 

Hubert Kittel: „Während der Fahrt keinen Ausschank“ | Foto: Schnuppe von Gwinner

Befreit in der Farbe aber auch in der Form – die „Drunken Bottles“ entstehen während des 1. internationalen Kahla Workshops 1992 als experimentelle Studie. Das Mobile „Während der Fahrt keinen Ausschank“, realisiert in der Porzellanmanufaktur Reichenbach von 2006, hat seinen Ursprung im 1.Pot Workshop Karlovy Vary 1999.

Als Entwerfer favorisiert Hubert Kittel zeitlebens schlichte, geometrische Formen und modulares Denken. Damit reicht er den Spass an variablen Nutzungsmöglichkeiten, Ordnungen und Strukturen auch an seine Nutzer weiter. Seine Produkte definieren keinen statisch festgelegten Zustand sondern bieten in spielerischer Offenheit unterschiedlichste Optionen. Diese Haltung verbindet all seine Entwürfe wie ein roter Faden.

Hubert Kittel: vorne „Drunken Bottles“, hinten „Während der Fahrt keinen Ausschank“ | Foto: Schnuppe von Gwinner

Und sie zeichnet wohl auch den Lehrer Hubert Kittel aus, dem es gelang so viele gut ausgebildete, innovative, selbstbewusste und erfolgreiche Produktdesigner/-innen in die Welt hinaus zu schicken.

Professor Hubert Kittel schenkte dem GRASSI Museum für Angewandte Kunst 150 Arbeiten aus 17 Werkgruppen und gab damit den Anlass für die aktuelle Foyerausstellung „HUBERT KITTEL: EIN LEBEN FÜR KERAMIK UND GLAS“. Sie wird noch bis zum 30.03.2019 im GRASSI Museum für Angewandte Kunst gezeigt.

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