Ausstellung

Vom Skønvirke zu Made in Denmark – Designgeschichte als Sammlungsgeschichte

Im Jahr 2015 verdoppelte sich der Bestand an dänischem Design und Kunsthandwerk des GRASSI Museums für Angewandte Kunst Leipzig durch einige Ankäufe, vor allem durch großzügige Schenkungen kundiger Privatsammler. Inzwischen zählt man 900 Positionen und die Zeit für eine Ausstellung, einen Rückblick auf dänische Formgestaltung seit 1900, ist reif. Sabine Epple, Kuratorin Sammlungen Moderne, berichtet von den Vorbereitungen zum Ausstellungsprojekt MADE IN DENMARK, das vom 02.06. bis 07.10.2018 ein facettenreiches Bild des dänischen Kunsthandwerks und Designs zeichnen wird.

Für die meisten von uns verbindet sich die Vorstellung von dänischem Design mit dem stilvollen Funktionalismus der 50er und 60er Jahre, mit den Entwürfen von Børge Mogensen, Finn Juhl, Hans Wegner, Arne Jacobsen, Paul Kjærholm, Poul Henningsen und Verner Panton. Doch im GRASSI Museum für Angewandte Kunst hebt das Team um Sabine Epple wahre Schätze aus den Magazinen, die uns die Geschichte des dänischen Designs seit 1900 auf eine ganz besondere Art nahe bringen. Für die Ausstellungsmacher bedeutet es eine große Herausforderung, den Schwerpunkten der Sammlung zu folgen. Denn sie überraschen mit Themen, die nicht unbedingt den landläufigen Erwartungen entsprechen. Die Konzeption der Ausstellung folgt ihrem roten Faden in sechs Themenkomplexen, die aus der Fülle destilliert wurden. Sie geben der Ausstellung, ihrer Installation und dem Katalog Struktur.

Einige wenige dänische Objekte gab es bereits, als der damalige Museumsleiter Dr. Richard Graul auf der Pariser Weltausstellung des Jahres 1900 vierzehn edle Porzellane der Firmen Bing & Grøndahl sowie der Königlichen Porzellanmanufaktur Kopenhagen erwarb und damit die Grundlagen für die Leipziger Kollektion legte. Objekte des dänischen Jugendstils „ Skønvirke“, in dessen Keramik vor allem Scharffeuer-Farben in pastelligen und dennoch kühlen Töne schon auf die zukünftigen Vorlieben dänischer Designer verweisen. Möbel, Silber und funktionelle, vor allem aber figürliche, Keramiken der 20er Jahre sind üppig vertreten und illustrieren die skandinavischen Tendenzen im Art Déco und Funktionalismus. Im Jugendstil ist die Auswahl beispielsweise geprägt durch die Arbeiten der einflussreichen Gestalter Thorvald Bindesbøll und Johann Gudmann Rohde.

Die Ausstellung „Europäisches Kunsthandwerk 1927“ im Grassimuseum, zu der auch Dänemark eingeladen wurde und mit den wichtigsten Herstellern seiner Zeit brillierte, löste eine neue Welle der Begeisterung für dänisches Kunsthandwerk und Design aus. 19 Objekte wurden für das GRASSI Museum für Angewandte Kunst angekauft und viele der dänische Firmen stellten, teilweise bis 1941, auf der GRASSIMESSE aus. Wir alle wissen, die Zeiten änderten sich dramatisch. “MADE IN DENMARK” etablierte sich als internationales Markenzeichen – ohne, dass in Leipzig nennenswert gesammelt werden konnte.

In Folge der Friedlichen Revolution nahm auch die Bestandsentwicklung im GRASSI Museum für Angewandte Kunst wieder Fahrt auf, flankiert von einigen Ausstellungen die auch dänisches Design beinhalteten. Mit der Wiederaufnahme der GRASSIMESSE 1997 stellten hin und wieder auch dänische Designer in Leipzig aus. 67 Positionen umfasste die Übernahme der Sammlung Silzer im Jahr 2002 – weitere spektakuläre und umfangreiche Privatsammlungen folgten. Im Jahr 2016 mit 298 Objekten der Sammlung Hugo Ströh unübertroffen! Die großzügigen Gaben der verschiedenen Sammler finden in der projektierten Schau ihre Würdigung und drücken ihr den Stempel auf. So wird wohl kaum ein Museum eine derart lückenlose und umfangreiche Kollektion dänischer Studiokeramik seit 1940 für sich reklamieren können. Und gerade die allerjüngste Schenkung von Friedhelm Wachs aus Leipzig wird helfen, unser Bild des jüngeren dänischen Designs auch in dieser Ausstellung bestätigt zu finden.

Die Mammutaufgabe der Sichtung und wissenschaftlichen Bearbeitung des Konvoluts dänischer Objekte ist weitestgehend abgeschlossen. Jedes von ihnen wurde fotografiert und der Katalog ist auf dem Wege der Fertigstellung. Die Auswahl der Exponate ist nahezu komplett. Sie werden jetzt in den Werkstätten der Restauratoren für das große Fest hergerichtet. Auch die Museumspädagogen feilen schon an ihrem interaktiven Begleitprogramm, in dem das Spiel mit Gestaltung die Ideen dänischer Designer aufgreift.
Der Überblick über die Entwicklungen in der Keramik könnte kaum besser sein. Auch Silber- und Metallgerät, Kleinplastik und Möbel dokumentieren eine begeisternde Reise durch das vergangene Jahrhundert dänischer Objektgestaltung. Mit der umfangreichen Sammlung des Ehepaars Marion und Jörg Schwandt werden die verschiedenen Strömungen des dänischen Schmuck-Designs im 20. Jahrhundert hervorragend dargestellt. In seinem Vorwort zum Katalog weist Direktor Dr. Thormann aber auch darauf hin, dass „der Bestand an Glas noch sehr ausbaufähig [ist] und auf dem Feld der Textilien und Gebrauchsgrafik schmerzliche Desiderate [liegen]“.

MADE IN DENMARK im GRASSI Museum für Angewandte Kunst in Leipzig wird den Besuchern eindrücklich nahe bringen, dass das populäre, klassische und moderne dänische Design tief in den historischen Gestaltungs- und Kulturtraditionen Dänemarks verwurzelt ist. Doch sie wird neben diesem Aspekt auch den Gemeinsinn und die Großzügigkeit privater Gönner feiern, die ihre kostbaren Sammlungen dem Museum überließen, damit es nun aus dem Vollen schöpfen kann um der Öffentlichkeit ein tieferes Verständnis dänischer Gestaltungskultur zu ermöglichen. Die erwähnten Lücken sind auch Teil dieser Sammlungsgeschichte. Mögen sich weitere Sammler inspiriert fühlen – wir würden alle reich beschenkt!