Auch vor den Kultureinrichtungen machen die Themen Nachhaltigkeit und Ökobilanz nicht Halt. Mit der Ausrufung des Klimanotstandes im Oktober 2019 hat die Stadt Leipzig ein klares Bekenntnis der kommunalen Verantwortung zu den wissenschaftlichen Fakten abgegeben. Folgerichtig wird den Aspekten des Klimaschutzes und des Schutzes vor den Folgen des Klimawandels künftig eine deutlich höhere Priorität eingeräumt. Über das nun vorliegende Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 macht sich Leipzig als eine von 100 EU-Modellkommunen klimaneutraler und intelligenter Städte auf den gemeinsamen Weg mit der Stadtgesellschaft.
Auch im GRASSI Museum für Angewandte Kunst hat sich aus dem Mitarbeiterteam eine Arbeitsgruppe gebildet, deren Mitglieder einschlägige Seminare und Fortbildungsangebote wahrnehmen, um sich aus der Sicht ihres Museums erfolgreich mit der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit zu beschäftigen und eine Ökobilanz ihres Hauses zu erarbeiten. Noch vor zwei Jahren schien der Wechsel zu klimaneutralen Papieren und Farben für die Drucksachen, das Recycling von Materialien, die Mehrfachnutzung von Ausstellungsmobiliar, usw. das Gebot der Stunde. Z. B. hat sich das Prinzip der Mehrfachnutzung aus logistischen und ökonomischen Erwägungen schon seit langem im Museum etabliert. Der Blick auf die Verwendung jedweder Materialien ist hier ebenfalls schon lange streng ökologisch ausgerichtet.
Schon in den ersten Workshops stimmten die Erkenntnisse des vorbildlichen Projektes „Elf zu Null“ nachdenklich. Zu diesem schlossen sich elf Hamburger Institutionen in einer bundesweit einmaligen Initiative zusammen, um gemeinsam Verantwortung zu übernehmen und Nachhaltigkeit, Klimaschutzmaßnahmen und Betriebsökologie zu fördern und umzusetzen.
Ziel des Projekts ist es, die Nachhaltigkeitstransformation in den Museen konsequent und langfristig voranzubringen. Damit leistet es einen aktiven Beitrag zur Zukunftsfähigkeit von Museen, Ausstellungshäusern und Gedenkstätten auf dem gesamtgesellschaftlichen Weg zur Klimaneutralität. „Elf zu Null“ publizierte folgende Zahlen:
78% der Klimabilanz entfallen auf die Besucher der Museen.
20% betreffen den Energiesektor, also Stromverbrauch, Licht und Heizung.
2% umfassen alles andere, um das man sich intuitiv vorrangig Gedanken gemacht hat, weil es eine spürbare Wirkmächtigkeit versprach.
Also dem Verbrauch von nachhaltigen Materialien, die Papier- und Farbqualität von Drucksachen, dem Aufwand des Leihverkehrs, der Dienstreisen, der Veranstaltungen mit auswärtigen Gästen und so fort.
Die Mobilität der Besucherinnen und Besucher scheint jedoch überhaupt nicht beeinflussbar. Das Grassimuseum hat mit dem Anschluss an vier Straßenbahnlinien ja noch vergleichbares Glück und kann gut ohne Auto erreicht werden. Dazu ergab eine Umfrage unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass 95% von ihnen zu Fuß, mit dem Rad oder den Öffentlichen zur Arbeit kommen, beim Security-Personal sind das noch 60% – und bei den Gästen?
Doch warum soll der Druck auf die Politik, das Mitdenken der Mobilitätswende, dann ausgerechnet aus den Kulturinstitutionen kommen? Warum sollen gerade die Kultureinrichtungen das Heft des Handelns vorbildlich in die Hand nehmen? Die Kulturleute sind verrückt und kreativ genug, um sich solchen Themen zu stellen, heißt es. Und darüber hinaus ist der Kommunikationsfaktor der Kultur wesentlich höher als in anderen Bereichen – wenn also überall von Klimakonformität gesprochen wird, ist der gesellschaftliche Kommunikationseffekt sehr groß – auch wenn die Kulturinstitutionen in den Statistiken zur Klimaneutralität quasi keine Rolle spielen.
Nun, im Museum für Angewandte Kunst denkt man dennoch weiter über klimaneutrales Drucken, die Bewässerung des Rehgartens mit Regenwasser, über optimierte Mülltrennung, die Installation einer E-Bike-Säule und den richtigen Treibstoff für den Laubbläser nach und auf dem Dach, direkt unter der berühmten Ananas, wird erfolgreich durch das Team „Urban Gardening“ (Himbeeren, Tomaten und Minze) betrieben – doch das spricht mehr für das generelle Engagement und den Austausch untereinander; dafür, wie sehr sich alle inzwischen das Thema zu eigen gemacht haben.
Seit dem vergangen Jahr ist das GRASSI Partner von „Green Culture“, das als Anlaufstelle vernetzt, dokumentiert berät, unterstützt und zentrale Werkzeuge anbietet. So zum Beispiel auch in Workshops vermittelt, wie man eine Klimabilanz erstellt. Dieses Wissen teilen die Mitglieder des Arbeitskreises im Museum, die aus allen Bereichen der musealen Arbeit kommen und sich den Themen der ökologischen Transformation als zusätzliche Aufgabe widmen. Mit dem Ziel einer strukturellen Nachhaltigkeit durch das alternativlose Kümmern um Klimagerechtigkeit.
Als Grundlage dafür wird die Klimabilanz des Hauses dienen, die aktuell erstellt wird. Alle helfen, Daten und Informationen aus ihren Abteilungen zu dokumentieren und zusammenzutragen. Es geht um den Status Quo und darum, wie in allen Bereichen Einsparungen gelingen können – die ja auch immer Geld kosten. So wurde der seit fünf Jahren laufende Umstellungsprozess der Beleuchtungstechnik auf LED aus Drittmitteln finanziert. Um 30% sank der Energieverbrauch bisher und das neue Licht schont die Exponate. Bewegungsmelder für das Licht, die Umrüstung der Elektrik in den Büros sowie der Bezug von Ökostrom tun ein übriges. Die im November 2024 zu eröffnende Sonderausstellung „Zukünfte“ wird die erste komplett bilanzierte Sonderausstellung im Grassimuseum sein.
Auch nur der flüchtige Blick zurück offenbart, wie sehr alle Beteiligten, von den Behörden bis zu den Mitarbeitern der Kultureinrichtungen generell und des Grassimuseums insbesondere, sich auf dem Weg der Nachhaltigkeitstransformation professionalisiert haben und eine Verantwortlichkeit an den Tag legen, die beeindruckt. Netzwerke, Workshops, Best Practice-Projekte und vieles mehr stiften den Kulturbetrieb kräftig an, tatsächlich Vorreiter zu werden, in der Kommunikation sowieso, aber auch auf dem Weg zu einer erfreulichen Klimabilanz.