Ausstellung

Finissage “Stickerei in Bewegung”

Zum Abschied der HISTORY IN FASHION-Ausstellung, die Corona-bedingt über zehn Monate ihre verführerische Pracht im GRASSI Museum für Angewandte Kunst entfaltete, gab es eine außergewöhnliche Finissage. Unter dem Slogan „Stickerei in Bewegung“ bot sie ein echtes Highlight für die circa 100 Besucher.

DontKnowHowToLoveMe | Jens Ulrich Alexander Schabbach | Foto Esther Hoyer

Die ursprünglich für den März geplante Finissage sollte der Ausstellung mit einer opulenten Modenschau und fantastischer Licht- und Musikshow in der Orangerie ein grandioses Finale bescheren. Angekündigt war ein Defilee der Modelle aus den Modestudiengängen der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle und der Hochschule Macromedia in Leipzig. Doch es kam alles anders, wie so häufig in dieser Zeit.

Sparkling Fantasies – Minglu Zhang | Foto Schnuppe von Gwinner

Die Studierenden der Hochschule Macromedia zogen sich schnell von der Idee der Modenschau zurück. Stattdessen entschieden sich Prof. Claudia Damm und Prof. Dunja Kopi, beide Dozentinnen für Mode- und Textildesign an der Hochschule Macromedia, wegen der eingeschränkte Möglichkeiten und des Planungsrisikos für eine filmische Umsetzung.

Filmstill & LINK : Zwischen Tracht und Turnschuh | Denis Herzog | Hochschule MacromediaLeipzig

Sie konnten Denis Herzog gewinnen, der auf den jährlichen sensationellen Modewerkschauen zu den Semesterausstellungen der Burg die Filme dreht. Nun galt es dem Thema Stickereien und deren Bedeutung im Kontext von Identität, Kultur, Tradition und Moderne gerecht zu werden. Der Kurzfilm „Zwischen Tracht und Turnschuh“ inszeniert aufregende Entwürfe in den Räumen des Museums und bietet einen nachhaltigen Genuss, der auf großen Bildschirmen während der tatsächlichen Finissage präsentiert wurde, der aber nun auch jederzeit angeschaut werden kann: https://vimeo.com/460978125

Altkleider Version 2 – Aurelia Becker | Foto Schnuppe von Gwinner

Um das Ereignis Corona-tauglich zu gestalten, planten die Akteure um Kuratorin Dr. Stefanie Seeberg für die tatsächliche Finissage am 19. September um. Nun flanierten die Finissage-Gäste in ihrem individuellen Tempo durch die Ausstellungsräume. Sie begegneten hier und da den sich in ihren Kreationen performativ darstellenden jungen Absolvent*innen und Studierenden aus Mode- und Textildesign der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Die Studierenden Aurelia Becker, Jonas Jentsch, Minglu Zangh und Jens Schabbach präsentierten ihre Abschlussarbeiten in Bewegung und im Austausch mit den Besucher*innen. Die präsentierten Zeitungskleider entstanden unter Leitung von Patricia Thoma, deren „Mülltütenkleider“ Teil der Ausstellung HISTORY IN FASHION waren, mit Studierenden an der AMD (Akademie Mode und Design) Berlin.

In Zeitung – Akademie Mode und Design Berlin – Patricia Thoma | Foto Schnuppe von Gwinner

Das Erstaunen und die Bewunderung der Betrachter*innen traf die Designer*innen direkt und gab Anstoß zu Gesprächen über die Ideen und Konzepte. Lebhafte, für beide Seiten eher unerwartete Dialoge entspannen sich. Die erstaunlichen Bekleidungen forderten alle Aufmerksamkeit der Besucher*innen um die Inspirationen der Designer*innen nachzuvollziehen. Auch Nachdenklichkeit zum eigenen Umgang mit Mode und Trends wurde geäußert.

Rupture – Jonas Jentsch | Foto Schnuppe von Gwinner

Niemals hätte die distanzierte Performance einer auf Beifall und Sensation ausgerichteten Modenschau diese Tiefe und lockere Vertraulichkeit der überraschenden Begegnungen erzeugen können. Sollte sie auch nicht. Sie wäre ein gemeinsames Fest geworden, getragen von der Bewunderung für die Performance und Vielfalt der Ideen und von einem aufgeregt-berauschenden Gemeinsamkeitsgefühl. Doch darauf müssen wir vermutlich noch einige Zeit verzichten.
Stattdessen erlaubte diese Version der Modenschau Begegnungen auf Augenhöhe. Sie ermutigte eine differenzierte, persönlich gefärbte Kommunikation und es wurde viel gelacht, offenkundig gestaunt, bewundert, nachgefragt. Die Erfindung dieses atmosphärisch für jeden Einzelnen so inspirierenden Finissage-Formats verdanken wir den Restriktionen von Corona. Anders muss nicht unbedingt schlechter sein.