Hintergrund Interview

… mehr als nur drei Wünsche – im Gespräch mit Dr. Olaf Thormann

Früher war der Herr in Schlips und Kragen der Direktor. Im GRASSI Museum für Angewandte Kunst in Leipzig ist es der Mann in roten Turnschuhen. Konzentriert, zugewandt und schnell taucht er in unser Gespräch ein. Zwei Stunden lang nimmt er sich Zeit meine Fragen zu beantworten, sehr präzise die Situation des Museums zu beschreiben und sich selbst als ebenso empathischen wie versiert klugen Leiter seines Hauses zu outen.

Sein Rückblick auf eine spannende Zeit erklärt seine drei Wünsche im Ausblick auf die Zukunft des GRASSI Museum für Angewandte Kunst – die ungekürzte Version als PDF

Dr. Olaf Thormann löste Dr. Eva-Maria Hoyer am 1. September 2015 im Amt der Direktion des GRASSI Museums für Angewandte Kunst in Leipzig ab, das sie 25 Jahre lang führte – nahezu genauso lange, wie er ihr Stellvertreter war. Gemeinsam nutzten sie die Zeit, das Museum nach der Wende wieder aufzubauen und in den Kreis der bedeutendsten Museen für angewandte Kunst in Europa zurück zu führen. „Die Wiedererrichtung eines Museums ist eine große Sache und passiert nur einmal im Leben,“ stellt Thormann fest, doch nun fühlt er sich umso mehr in der Verantwortung: „Wenn man einem Haus so lange verbunden ist, dann bewirbt man sich eben auch. Ich habe mich in den Bewerbungsgesprächen durchsetzen können – im Wissen um ein gutes Team und dass das Klima stimmt.“

23,25 Stellen sind im Mitarbeiterteam besetzt. Das sind 26 Mitarbeiter die sich mit ihm gemeinsam den Herausforderungen an ein zeitgemässes Museum stellen. „ Die Ansprüche an die Museen sind enorm, wir sollen Entertainment, Forschung und alles dazwischen vereinen. Nicht so einfach das mit den vorhandenen Ressourcen zu bewerkstelligen,“ sagt Thormann. „Es wandelt sich vieles in der Museumslandschaft mit dem Trend zu Themen, die die Leute abholen, wie zum Beispiel die großen Lebensthemen Liebe, Schmerz und Tod. Wir bleiben dennoch spezifisch denn es soll nicht zu einer Verflachung kommen. Wir bemühen uns um eine sehr intensive Diskussion wie die richtige Mixtur aussehen kann.“ In diesem Kontext spielen auch Schenkungen eine große Rolle, deren Bedeutung das Museum in klugen Schauen reflektiert, wie gerade aktuell die Kollektion frühchinesischer Keramik der Sammlung Heribert Meurer, die in der Gegenüberstellung mit zeitgenössischen Stücken aus dem Museumsbestand ihre heutige Relevanz eindrucksvoll unter Beweis stellt.

Zum Abschluss unseres Gespräches bitte ich Dr. Olaf Thormann drei Wünsche für die Zukunft seines Museums zu formulieren:

Für die Zukunftsfähigkeit des Museums brauchen wir eine intelligente bauliche Fortschreibung um es lebendig zu erhalten. Jedes Museum kann nur weiter leben wenn es auch weiter sammelt, sich moderner Technik stellt, wenn es auch Raum hat Projekten Fläche zu geben – d.h. man muss sich genau überlegen wie eine solche teilweise Neustrukturierung, eine Weiterentwicklung weiter vonstatten gehen kann. Das sehe ich als große Aufgabe, als einen ganz großen Wunsch: diese Idee vom GRASSI – wir haben es mal in einem Workshop GRASSI Creative City genannt! Mit wem kann man sich verbünden in der Nachbarschaft, wie kann man sich mehr vernetzen mit Kunstschulen, mit architektonisch Interessierten, mit an der Historie des Ortes Interessierten, mit den Leuten die die Grünfläche schätzen – wie kann man diese an sich schon großartige Anlage noch besser machen und noch mehr zur Marke etablieren?

Der zweite Wunsch hängt ganz wesentlich damit zusammen, dass wir es schaffen die Dreiheit der Museen unter dem Dach des GRASSI stärker in den Vordergrund treten zu lassen ohne dass wir unsere spezifischen Stärken aufgeben. Die große Chance des GRASSI-Museums ist, dass es sich mit seinem kurzen, prägnanten Namen international noch mehr behaupten kann.

Der dritte Wunsch ist, dass es uns hoffentlich gelingt über unsere Ausstellungen und Aktivitäten die gute Entwicklung der letzten Jahre fortzuführen, dass wir möglichst viel Publikum bündeln können. Nur wenn wir es schaffen das Interesse beim Publikum zu wecken finden wir auch den Rückhalt in der Gesellschaft und damit in der Politik, was sich auch für die fixen Strukturen nur positiv auswirken kann. Ebenso der Rückhalt bei Künstlern und Sammlern, die dann bereit sind das Museum als Partner zu begreifen und mit ihm zusammen zu arbeiten. Nur wenn das richtig rund läuft hat man die Bewegungsfähigkeit und Möglichkeit die man braucht mit Ideen operativ umzugehen. Das gute Wechselspiel aus allen Komponenten ist wichtig um als Partner wahr genommen zu werden.“

 

Hinweis: Die Kooperationen des GRASSI Museums für Angewandte Kunst mit anderen Museen und die Ausstellungsprojekte der näheren Zukunft waren auch Thema unseres Gesprächs, die ich in einem weiteren Blogpost demnächst zusammen fassen werde.