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“Supernormal – Thinking Like Jasper”

Im GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig werden häufig ausstellungsbegleitende Veranstaltungen angeboten. Die, mit Unterstützung aus dem dicht gewobenen Netzwerk zu Hochschulen und Museen, in ihrem Konzept weit über eine normale Führung hinaus gehen. Da sollte man zugreifen, denn es macht sehr viel Spaß, sich mit ausgewählten Aspekten genauer auseinander zu setzen, die unterhaltsam und überraschend sind!

Ausstellung Jasper Morrison in Leipzig | Foto: Schnuppe von Gwinner

Als ich selbst das erste Mal durch die Jasper Morrison-Ausstellung schlenderte, fiel mir auf, wie viele der gezeigten Objekte mir schon mal begegnet sind, ohne dass ich sie ihm als Designer direkt hätte zuordnen können. Als ich den Workshop “Supernormal – Thinking Like Jasper” von Rosa Carole Rodeck im Programm des Museums entdeckte, meldete ich mich spontan an, um verstehen zu lernen, was es mit dem “Supernormalen” auf sich hat.

Rosa Carole Rodeck absolvierte den Bachelorstudiengang Produktdesign an der Bauhaus-Universität Weimar. Um ihr Wissen über Design im wissenschaftlich-theoretischen Bereich zu vertiefen, studiert sie aktuell an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle Design Studies. In ihrem weiteren Werdegang möchte sie sich vermehrt auf die Vermittlung, Wirkung und Wahrnehmung von Design konzentrieren, so wie sie es in dem Workshop “Supernormal – Thinking Like Jasper” anbietet.

Gleichstand im Wissen der Beteiligten musste erst einmal hergestellt werden. Aber wer macht eigentlich mit bei solch einem Workshop?
Unter anderem ein Stuhl-Sammler, der sich selbst auch schon im Bau von Miniaturen versucht hat. Seine Frau, die gerne Design studiert hätte, der das Leben dann aber andere Aufgaben zuwies: „Es ist ja nie zu spät,“ lacht sie. Ein Architekt, der in den 80er Jahren so jugendlich wie die Referentin und die meisten Anwesenden war, und der vor allem mit den Türbeschlägen Morrisons in Berührung kam. Eine kulturinteressierte Naturwissenschaftlerin, die sich selbst als sehr kreativ bezeichnet. Eine Architektur-Studentin, die am Rande einer Vorlesung auf Morrison aufmerksam wurde und nun eine Seminararbeit über ihn schreiben möchte.

Rosa Carole Rodeck beschreibt die Designphilosophie Jasper Morrisons | Foto: Schnuppe von Gwinner

Rosa Carole Rodeck beschreibt den Werdegang Jasper Morrisons zum Designer. Seinen Anspruch, den Alltag zu bereichern, nicht mit einer extravaganten Formästhetik, sondern mit der Fortführung von Vertrautem, den Schwerpunkt auf die atmosphärische Wirkung eines Objektes in seinem Umfeld setzend. Sie untersucht den Begriff des anonymen Designs, indem sie nach den Vorstellungen ihres Auditoriums fragt, was denn anonymes Design sein könnte.
“Der Normalfall”, “ohne lesbare künstlerische Handschrift”, “identitätslos”, “ein Objekt, das in der Wahrnehmung untergeht”, “namenlose Alltagsdinge” …

Wieder zeigt und beschreibt die Workshop-Leiterin Beispiele, die sich genau damit auseinander setzen, wie z. B. der Architekt Adolf Loos, der schon 100 Jahre vor Jasper Morrison das Potential im Bestehendem, in der Adaption bekannter Formen suchte. Anstatt des Designers rückt das Produkt ins Zentrum. Schlichte Formalität, Minimalismus, wie wir es auch im skandinavischen Design so sehr schätzen gelernt haben.

Und was ist dann “Supernormal”? Vielleicht das Normale in einer besonders perfekten Materialität, Haptik, Langlebigkeit – etwas, das man in seiner Objekthaftigkeit nur erleben kann? Die Abwesenheit von Identität, das Fehlen jeder Auffälligkeit, eine Ambivalenz von super und normal, die höchste Form des Normalen … ich grübele weiter, … die dann ja eben nicht mehr normal ist: kann ein “super-normales” Objekt überhaupt von einem Designer entworfen werden?

Rosa Carole Rodeck schließt ein Designer-Ratespiel an, lässt uns die Objekte von Jasper Morrison und seinen Kollegen identifizieren und beschreiben. Jasper Morrison spielt regelrecht damit, seine Produkte in der Normalität “verschwinden” zu lassen, Designer-Vorgängern in ihrer Gestaltungsspur zu folgen, diese für seine Objekte zu adaptieren und durch den Einsatz neuester Werkstoffe zu modernisieren.

Im praktischen Teil, so wünscht es sich Rosa Carole Rodeck, wird das gewonnene Wissen mittels Miniatur-Möbel-Modellbau aus Kappa-Pappe und Draht umgesetzt. Der Charme des Selbermachens, die Attraktion der Materialien, der eigene Gusto, der Flow trägt die Kursteilnehmer zurück in ihre eigene Welt.

Ausstellung Jasper Morrison in Leipzig | Foto: Schnuppe von Gwinner

Im Anschluss führt Rosa Carole Rodeck alle Workshopteilnehmer durch die Ausstellung und stellte ausgewählte Produkte noch mal auf den Prüfstand. Anhand der gemeinsamen Diskussionsergebnisse und entworfenen Modelle können die Objekte nun abschließend mit einem vertieften Verständnis und geschulten Blick betrachtet werden: “Ziel ist es, ein geschultes Auge für anonymes Design zu bekommen. Meist ist es anonym, weil es so gut funktioniert, dass es uns in unserem Alltag nicht auffällt. Mich persönlich würde es freuen, wenn genau dies nach dem Workshop der Fall ist – Menschen sollten in ihrem Alltag auch das Design wahrnehmen, was wirklich gut ist. Besonders für Designer ist es in meinen Augen wichtig, dass der Ursprung eines Entwurfs das Potential und nicht ein Problem ist.”

HIER finden Sie das aktuelle Veranstaltungsprogramm des GRASSI Museums für Angewandte Kunst in Leipzig!

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