In den vergangenen Wochen konnte man im Rehgarten des GRASSI Museums für Angewandte Kunst ungewöhnliche Aktivitäten beobachten. Im Rahmen der aktuellen “Cultural Affairs – Kunst ohne Grenzen” Ausstellung und als Teil der Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung arbeitete dort die iranische Künstlerin Sara Boroujeni gemeinsam mit Freiwilligen an einer großen Ton-Skulptur. Schon während ihrer Studienzeit an der Tabriz Islamic Art University führte sie im Team mit Majid Ziaee, dem Leiter der dortigen Glas- und Keramikabteilung, verschiedene ähnliche Gruppenprojekte in mehreren Städten und Dörfern im Iran durch. Insgesamt vier ihrer Art schufen sie dem künstlerischen Vorbild der dänischen Keramik-Künstlerin Nina Hole folgend. Deren Feuerskulpturen sind legendär und sie gehören zu den Erlebnissen, die man, wenn sie geboten werden, keinesfalls verpassen sollte.
Die künstlerischen Autoren dieses Leipzig-Projektes sind Majid Ziaee und Sara Boroujeni.
Es fand mit der Unterstützung des Grassimuseums und der tatkräftigen Zusammenarbeit von Majid Ziaee, Ali Khomami, Urs Zeller, Elisa Bächle, Jonathan Lohr, Hannah Sassim, Stefánne Samuels, Marie Krombach, Simon Keil, Tom Diepold und Enrico Garten statt.
Auch Majid Ziaee sollte dabei sein, doch leider konnte er aufgrund von Covid-19 und der Reisebeschränkungen nicht von Täbris nach Leipzig reisen.
Über der Basis eines Ofens aus Ziegel, Lehm und Stroh erhebt sich eine dreiteilige, zylindrische Ton-Skulptur, die an dem Ort an dem sie entsteht, in einer spektakulären Aktion auch gebrannt wird. Unter den verschiedenen Methoden zur Herstellung von Großkeramik ist dieses Verfahren, bei der eine Tonskulptur im Prozess der Herstellung in einen Keramikbrennofen umgewandelt wird, eine attraktive und einzigartige Methode. Die Herstellung eines großen Keramikvolumens in kürzester Zeit und ohne die Notwendigkeit eines großen Brennofens ist spannend, denn das Element des Risikos in der kreativen Herangehensweise, das sie nutzt, ist ein wichtiger Aspekt der Arbeit.
Spezielle Formgebungsmethoden, Projektgeschwindigkeit, Trocknung und Brennverfahren mit Brennholz gehören zu den speziellen Techniken, die viele Male ausprobiert und getestet wurden. Schon fünf Monate vor der Umsetzung des Leipziger Projektes setzte der Prozess des Brainstormings und der Gestaltung ein. Nach der Analyse der Architektur des Museumsgebäudes und seiner Innen- und Außenräume sowie der Details und der Objekte, die dort aufbewahrt werden, begann die Ideenfindung, die während einiger Online-Treffen debattiert wurde. Um die Arbeit besser mit der Umgebung abzustimmen, wurden das Areal um das Museum und der Raum, der möglicherweise gebaut werden könnte, sorgfältig untersucht und studiert. Einige Details und Proportionen im Gebäude des Grassimuseums wurden als Ideenquelle herangezogen, und dabei wurden verschiedene Ideen skizziert. Eine dieser Ideen wurde ausgewählt und nun umgesetzt.
Nach der Bestimmung der Größe und Dimensionen des Werkes wurde das Modell im Maßstab 1:10 gebaut. Die Skulptur besteht aus einem Kegels mit einem Durchmesser von 80 bis 50 cm und einer Höhe von 210 cm, mit drei pyramidenförmig ausgestülpten, an Kannen-Schnaupen erinnernde Formen. Diese sind am Körper des Werkes befestigt und können nach dem Brand Pflanzen aufnehmen. Elf sich kreuzende Linien sind inspiriert von einem Fenster, das Josef Albers für das Grassimuseum entworfen hat.
Der Ofen wurde in Form eines Rundbogens hergestellt, mit vier Eingängen und einem Ausgang nach oben. Von den vier Eingängen des Ofens hat einer eine größere Dimension für die Aufnahme des Brennholzes, die anderen sind für die Luftzufuhr im Brennprozess. Der Ausgang des Ofens ist ein Kreis mit einem Durchmesser von 60 cm, von wo aus die Wärme des Ofens in die Skulptur übertragen wird. Die Brennphase mit loderndem Feuer, dem Geruch von Brennholz und Rauch ist DIE Attraktion der Ofenskulptur, die in Anwesenheit von Publikums stattfindet, um diesen wichtigen Teil des Skulpturen-Herstellungsprozesses zu teilen. Da schon die gesamte Entstehung, von der Planung über die Vorbereitung der Materialien und die Realisierung des Entwurfs, nur als kooperatives Ereignis möglich war, kommt auch dem Brand in Anwesenheit eines faszinierten Publikums als Höhepunkt des gemeinschaftliche Erlebens große Bedeutung zu.
Am 26. Juni 2021 wird die Ofen-Skulptur der iranischen Keramikkünstlerin Sara Boroujeni im Rehgarten gebrannt.
Der Brand startet zwischen 10 und 11 Uhr morgens. Zunächst wird bei ca. 100 Grad Celsius der Trocknungsprozess beschleunigt, da die Form bersten würde, wenn man sie in noch feuchtem Zustand zu hoch temperiert brennen würde. Erst wenn die Skulptur wirklich trocken ist, wird die Brenntemperatur erreicht. Daher läuft der Brand bis tief in die Nacht.
Besucher*innen des GRASSI Museums für Angewandte Kunst können während der Öffnungszeiten gerne vorbeischauen und diesen einzigartigen Vorgang miterleben. Bis um 18 Uhr können sie den Rehgarten betreten und sich hier bis spätestens 23 Uhr aufhalten. Nehmen Sie gerne Essen, Getränke und eine Sitzdecke mit.