Ausstellung

Die Zukunft hat schon begonnen!

Kein Blick in die Glaskugel, die in einem Museum für Angewandte Kunst zu vermuten wäre, keine Kaffeesatzleserei, auch wenn diese im biologisch-dynamischen Trend liegen könnte – die im GRASSI Museum geplante Ausstellung „Zukünfte – Material und Design von Morgen“ untersucht 150 Jahre nach Gründung des Museums die zukünftige Rolle von Design in unseren Gesellschaften. Die Faszination an Zukunftsspekulationen, für Utopien oder Dystopien, ist schon lange nicht mehr die alleinige Domäne der erfindungsreichen Schöpfer von Fantasy-Literatur und Filmen. Angesichts der offenkundigen Erschöpfung unseres blauen Planeten spekuliert die ganze Menschheit und mit ihr die Wissenschaft und Forschung aller Disziplinen darüber, wie es erfolgreich weitergehen könnte – unserer aller Überlebensfrage!

MO Illsutration ©Alexandra Fruhstorfer

Ihr, die natürlich multiple Antworten auslöst, möchten die Kuratorinnen Sabine Epple und Silvia Gaetti mit ihrer Ausstellung nicht belehrend begegnen. Sie möchten Denkanstöße geben, Neugierde wecken und eine reflektierte und optimistische Sicht auf die aktuell anstehenden globalen Herausforderungen anstiften, deren Themen wie Ressourcenknappheit, Klimakrise und soziale und ökonomische Ungerechtigkeit unsere Debatten beherrschen. Sie zeigen, dass die Profession Design nicht nur als eine Disziplin der Ästhetik und Funktionalität zu verstehen ist. Sie stellt zielführende Grundsatzfragen, sucht nach Möglichkeiten, erforscht Systeme und Prozesse und ist dabei oft ergebnisoffen. Heute und in Zukunft steht das Design als Impulsgeber an den Schnittstellen der unterschiedlichsten Disziplinen, angefangen bei den Natur- und Geisteswissenschaften bis zur Informatik. Design übernimmt die Vernetzungsrolle zwischen Forschung, Industrie, und Gesellschaft.

Universal declaration on mars_©NonhumanNonsense

What, if…/was wäre wenn?“ Diese Frage wird die Besucher in den ersten Ausstellungsteil begleiten. In unterschiedlichen künstlerischen Positionen und Projektionen geht es darum, was für Probleme konkret gelöst werden müssen: zum Beispiel, wem gehört die Tiefsee? Oder, wem gehört der Mars? Er kann sogar sprechen! In einer Kooperation mit dem Fraunhofer Institut wird vermittelt, wie spekulatives Design als Impulsgeber genutzt werden kann. Wege, sich möglichen Zukünften als Wissensressourcen anzunähern, bestehen darin, die in einer Gesellschaft bereits bestehenden Vorstellungen von Zukunft zu untersuchen. Solche Vorstellungen liegen nicht nur in Form wissenschaftlicher oder technischer Überlegungen vor, sondern werden auch in fiktionalen Medien entworfen und verbreitet. Selbst wenn es kein sicheres Wissen über die Zukunft geben kann, erhält diese Form des spekulativen Orientierungswissens angesichts einer ungewissen Zukunft eine hohe Wichtigkeit. In den letzten Jahren halten demnach zunehmend Ansätze des spekulativen Designs Einzug in die Zukunftsforschung. Sie bieten in Zeiten einer modernen Wissensgesellschaft ein neues Medium der Kommunikation und Werkzeug für produktive Zukunftsdiskurse.

Während des Zeitraums der Ausstellung sollen im Rahmen von methodisch angeleiteten Design-Workshops mit Akteuren aus Wissenschaft, Wirtschaft und Design ungenutzte Ressourcen erkannt, Rezepturen für alternative Material- und Produktkonzepte entwickelt und damit Zukunftswissen für die biobasierte Wertschöpfung erschlossen werden.

Likeness Peelsphere

Die Abteilung „Ready-Made-Future/ gebrauchsfertige Zukunft“ wird die Besucher im zweiten Teil der Ausstellung überraschen. So viele geniale, gut durchdachte Materialien und Produkte gibt es schon heute auf dem Markt, die Ergebnisse einer schon existierenden Kreislaufwirtschaft sind, sich aber in der Industrie und in unser aller Bewusstsein als Konsumenten noch nicht ausreichend durchsetzen konnten. Mit maßgeblicher Unterstützung von Prof. Dr. Sascha Peters und Diana Drewes von Haute Innovation, Berlin, einer Zukunftsagentur für Material und Technologie, wurden im Themenkomplex der Biomaterialien Designinnovationen zusammengestellt, die auf natürliche Rohstoffe zurückgehen und nach Möglichkeit biozirkulär sind. In dieser Präsentation begegnet uns der schon oben erwähnte Kaffeesatz in einer Uhr des Berliner Designers Julian Lechner, deren Gehäuse aus innovativem Coffee-Material ist. Sie verzichtet auf alles Überflüssige und regt dazu an, den eigenen Umgang mit Ressourcen – und mit der Zeit – bewusster wahrzunehmen.

From jeans to material to product

Auch andere Designprodukte, gleich ob T-Shirts, schicke Lampen, ein Fahrrad und vieles mehr gibt es schon aus patentierten, 100% biologisch abbaubaren und kompostierbaren Biomaterialien. Unter anderen wird auch das Designbüro Envisions aus dem niederländischen Arnheim sein „Archive of the Future“ mit einer überwältigenden Sammlung innovativer Textil-Materialproben vorstellen.

„Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ Diesen klugen Rat von Antoine de Saint-Exupéry befolgen auch die Kuratorinnen der „Zukünfte“. Inspiriert, aufgeklärt und ermutigt, mit exemplarischen Zukunftsfragen und konkreten Lösungsvorschlägen vertraut, entlassen sie die Besucher in einen weiten Raum der Möglichkeiten.

Circology Interspecies Design Studio Algae Drinking

Als Material Lab/ Material Labor beschreiben sie den dritten Teil der Ausstellung in der Orangerie. Hier offenbaren vier Hochschulen und ein niederländisches Designstudio in rund 40 Projekten, die sich an den Schnittstellen von Biologie, Design, Kunst und Industrie bewegen, die Prozesse hinter ihren aktuellen Forschungen. Auch wenn sich die Aufgabenstellungen hin und wieder ähneln sind die Ergebnisse oft sehr unterschiedlich – doch letztlich hängt alles miteinander zusammen. Spätestens hier, angesichts der Fülle an Forschungsprojekten, die ja nur eine winzige Auswahl aus dem globalen Forschungskosmos abbilden, kann sich eine optimistische Vision auf die globale Zukunft entzünden. Unglaublich fantasievoll, wissenschaftsbasiert und zielgerichtet nähert sich eine junge Designer- und Forschergeneration den großen globalen Herausforderungen in kleinen Etappen. Angesichts längst überfälliger Schritte hinsichtlich einer nachhaltigeren Industrieproduktion, erforschen und hinterfragen die innovativen Designdisziplinen das Gegenwärtige – die Besucher der „Zukünfte“ dürfen ihnen dabei über die Schulter schauen.

„Zukünfte – Material und Design von Morgen“ läuft vom 21.11.2024 bis 24.08.2025

Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Programm begleitet.