Ausstellung

GRASSIMESSE ante portas

Nur noch wenige Tage sind es bis zur GRASSIMESSE 2025, die von Veranstalter*innen, Aussteller*inne und Besucher*innen gleichermaßen mit großer Vorfreude erwartet wird. Ihre Geschichte reicht über hundert Jahre zurück und dennoch ist sie bis heute als einzigartiges und prominentes Forum für erlesene Handwerkskunst und originelles Objektdesign gegenwärtig und aktuell. Alljährlich lockt die GRASSIMESSE ein internationales Fachpublikum und eine begeisterte Öffentlichkeit in das GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig. Die einzigartige Architektur des Hauses und seine genial inszenierte, hochkarätige Ständige Sammlung bilden den inspirierenden Rahmen für diese erstrangige Museumsmesse in Deutschland.

Sabine Epple im Gespräch | Foto: vGwinner

Im Vorab-Gespräch offenbart Messe-Kuratorin Sabine Epple erste Highlights und Besonderheiten:

Aus 290 internationalen Bewerbungen wählte die diesjährige Jury im Frühsommer die 75 Stände aus, die durch Gruppenteilnahme und Studierende von sieben Hochschulen auf rund 140 verschiedene Positionen erweitert werden. Zur Messe vertreten und vermitteln sie persönlich ihre Arbeit an ihren Ständen. In einer guten Mischung aus bekannten Positionen, die auch das Rückgrat der Messe bilden, die für Kontinuität sorgen und deren Kundenkreis sie hier erwartet, und ungefähr einem Drittel neuer Aussteller, vor allem aus Korea, als Alumni deutscher Designhochschulen wie z.B. der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle.

Zur Eröffnung der Messe wird mit der Vergabe von acht wertvollen Preisen die Aufmerksamkeit auf besonders herausragende Gestalter*innen, ihre Ideen und Kreationen, gelenkt. Auch hier entscheidet die Jury über die Vergabe der insgesamt 11.000 Euro sowie der Sachpreise und Ankäufe für die Museumssammlung. Die Dotierung der Preise übernehmen – teilweise schon über sehr viele Jahre – Stifter, wie der Carl und Anneliese Goerdeler-Stiftungsfonds, die Sparkasse Leipzig, die Leipziger Firma smow, Rosemarie Willems im Gedenken an Jan Willems, die Familie Lyskov-Saucier, die Freunde des GRASSI Museum für Angewandte Kunst sowie die Firma culturtraeger. Erstmalig in diesem Jahr 2025 möchte die auf Edelsteine spezialisierte Firma Ole Bergmann (Berlin) mit einem Sachpreis im Wert von 4.000 € der Verwendung von Juwelen einen neuen zeitgenössischen Impuls verleihen.

BiLLi Porzellan, PP, PE, 304 Edelstahl Porzellan
Objekt & Foto: Jungwoon Lee

Sabine Epple verweist auf einige Beispiele und damit auch auf die Bandbreite der Messe.

Auf den jungen Produktdesigner Jungwoon Lee aus Halle (Saale), der eine ganz eigene Ästhetik pflegt. Die wirkt kurios, ein bisschen non-funktional, funktioniert aber trotzdem. Durch seine neue Perspektive auf alltägliche und vertraute Objekte entdeckt er verborgene Bedeutungen und Potenziale. Diese interpretiert er aus seinem individuellen Blickwinkel neu und schafft so eine persönliche, sinnlich erfahrbare Formsprache, die in jüngster Zeit mit Auszeichnungen überschüttet wird.

Ring/ connect u.a. Holz, Schwamm, Messing, Glas, Stoff Mischtechnik Objekt & Foto: Yumiko Matsunaga

Auch die japanische Schmuckkünstlerin Yumiko Matsunaga betritt mit ihren variabel kombinierbaren, objekthaften Schmuckstücken neue Wege. In der heutigen Zeit, in der die Nutzung der fünf Sinne abnimmt und Sinneswahrnehmungen sowie Sensibilität schwinden, widmet sie sich besonders dem Tastsinn. Durch den Einsatz vielfältiger, und für Schmuck durchaus ungewöhnliche Materialien, ermöglicht sie inspirierende neue Erfahrungen.

Christiane Wilhelm Amphore / RIVER MEANDER Steinzeug, Engoben, Porzellan
Foto: Matteo Manduzio

Sabine Epples große Bewunderung gilt, unter anderen, den Arbeiten der Keramikerin Christiane Wilhelm, den ruhigen Formen ihrer Gefäße, wie sie verarbeitet sind und wie sie ins Detail gehen. Man kann sich kaum eine Vorstellung davon machen, wieviel Zeit sie in diese Objekte steckt, deren Oberfläche und Wesen untrennbar miteinander verbunden sind – haptische wie visuelle Erfahrungen bieten, die den Geist des Materials verkörpern. Diese Keramiken werden auf der Grassimesse 2025 in Nachbarschaft zu den Gefäßobjekten von Roswitha Berger Gentsch im Raum 1/ Antike der Ständigen Sammlung präsentiert.

#12 Hydria Abfallkarton Objekt & Foto: Roswitha Berger-Gentsch

Roswitha Berger Gentsch verblüfft mit einer handwerklich technischen Fundiertheit in der Transformation von Abfall-Kartonagen in klassische Formen, indem sie eine kulturgeprägte Bildsprache der Vor- und Frühgeschichte und des Altertums paraphrasiert. Beide Positionen stehen in diesem musealen Kontext im engen Dialog mit den antiken Gefäßen und Objekten und überraschen mit der Erkenntnis, wie modern diese noch immer sind.

Auch das erste Mal dabei ist Mareike Lienau aus Berlin mit ihrem Label „Lyk Carpet“. Sie wird ihre textilen Wohnaccessoires im Saal des großen Gobelins „Die Schule von Athen“ nach dem Entwurf der Fresken Raffaels vorstellen. Sie hat den Raum schon in der Vorbereitung genau durchgeplant, wie die Podeste stehen und das Licht ausgerichtet werden soll, denn das alles muss vor dem Messeaufbau soweit möglich bedacht werden, da der hohe Raum wegen der kostbaren Tapisserien nicht einfach hell beleuchtet werden kann. In ihrer Auseinandersetzung mit den gegebenen Formen und Farben hat sich die Designerin gut vorbereitet und ihre Wünsche mit einem Grafikprogramm visualisiert.

Mareike Lienau/ Lyk Carpet Präsentations-entwurf

Gespannt darf man auch auf das Labor für Elementares (Julian Linden, Linus Enzmann, Constantin Graw) aus Weimar sein. Die jungen Designer werden den Ausstellungsraum mit Accessoires aus dem 18.Jahrhundert beleben, indem sie ihre Edelstahl -Trinkflasche „POPPED“ nicht nur vorstellen, sondern die Kunden auch in den Herstellungsprozess einbeziehen, sodass ein emotionaler Wert zwischen dem Objekt und dem Kunden geschaffen wird, der zu einer dauerhaften Nutzung des Produktes führt. Getränkeflaschen sind heute auch ein populäres Accessoire womit sich der thematisch anregende Clash zu den Galanteriewaren des Rokoko ergibt.

.POPPED 0-1000ml Edelstahl Hydroforming
Foto: Julian Linden
© Julian Linden, Linus Enzmann, Constantin Graw

Sabine Epple schwärmt, dass es das Schönste an ihrer Arbeit sei, zu überlegen, wo welche Position zu platzieren sei: entweder um erfrischende Dialoge anzustiften, thematisch interessant zu ergänzen oder auch kontradiktorisch zu inspirieren. „Manchmal gelingt ein direkter Bezug manchmal etwas verschlüsselter – man muss halt sehen was so geht und manchmal eben auch nicht – hin und wieder täuscht man sich ja auch aber ich hoffe, dass es sich ausgeht.“ Doch die lebhafte Auseinandersetzung der Künstler und des Publikums, die erhöhte Aufmerksamkeit, wird sie in jedem Fall anstiften.

Rainer Milewski, Fingerring o.T., Edelstahl, Bronze, Zuchtperlen | Foto: Peta Jaschke

Eine Besonderheit ist sicher die posthume Präsentation des vielfach ausgezeichneten Schmuckgestalters Rainer Milewski, der im Sommer dieses Jahres verstarb und dessen Witwe nun noch einmal sein, von provokanter Aktualität getragenes Werk vorstellt. 2019 wurde er für seinen außergewöhnlichen Schmuck aus Eisen und Perlen mit dem Grassipreis der Carl und Anneliese Goerdeler-Stiftung geehrt, im Herbst 2024 mit dem renommierten Justus-Brinckmann-Preis im Hamburger Museum für Kunst & Gewerbe gewürdigt: „Seine Werke sind sperrig, kantig, unangepasst, provokativ. Seine Ringe befinden sich an der Grenze des Tragbaren. Er fertigt unverwechselbare Unikate von hoher künstlerischer und handwerklicher Qualität.“ Seit der Neugründung der Grassimesse stellte er immer wieder hier aus.

Der direkte Anschluss an Gegenwart und Zukunft, manchmal auch zur Utopie, gelingt der Messe natürlich vor allem durch die Präsentationen der Hochschulen. Hier bekommen die Studierenden nicht nur das Feedback von einem ganz normalen Publikum, sondern auch den Austausch mit den anderen Hochschulen und Ausstellenden. Für den Messefreitag von 14 bis 18 Uhr eröffnet die Veranstaltung „University Insights“ die Möglichkeit, sich in einem offiziellen Format vorzustellen, entweder als Hochschule oder mit dem speziellen Projekt, oder nur als ein Studierender – es wird ganz den Hochschulen überlassen, worauf sie den Fokus legen. Hier bietet sich die gemeinsame Gelegenheit der Diskussion mit den Besucher*innen sowie Einblicke in die mal eher konzeptionelle, mal eher kollaborative Ausrichtung der Studiengänge zu geben.

Projekt von Studierenden des Studiengangs Produktdesign an der Bauhaus-Universität Weimar

In den ersten Kontakten und Gesprächen mit den Hochschulen ist Sabine Epple bewusst offen. Sie mag es,“wenn da eigene Ideen einfließen, und wir nicht vorgeben, was wir sehen wollen. Daher ist es am Ende auch immer eine kleine Wundertüte in der Zusammenarbeit mit den Hochschulen als Partner, weil die Hochschullehrer auch nicht garantieren können, dass die Studierenden, die letztes Semester noch Feuer und Flamme für’s Projekt waren, dann im nächsten Semester überhaupt noch da sind. Das ist eigentlich die Schwierigkeit, einen Kern von Studierenden zu finden, die sich verantwortlich fühlen – denn es kann ja nicht alles bei den Lehrenden liegen.“

Für dieses Jahr ist z.B. die Kooperation mit der Klasse für Typographie an der HGB Leipzig geplant, mit deren Leiterin Anna Lena von Helldorff die Kuratorin intensiv im Gespräch ist. Es ist eine sehr prozessuale Herangehensweise, in der Absicht über die Grassimesse hinaus im Museum präsent zu sein. Die Studierenden wollen sich mit der Besucherstruktur auseinandersetzen, mit dem Wegeleitsystem, sie wollen mit Besuchern ins Gespräch kommen und daraus dann eine Art Kommunikationsdesign für sich finden. „Sie wollen sich in die Infrastruktur des Museums einarbeiten, um dann auch besser reagieren zu können falls Besucher Fragen haben. Das fand ich sehr respektabel, sich mit so einem komplexen Haus auseinander setzen zu wollen. Obwohl ich intensiv im Gespräch bin, weiß noch nicht was letztlich dastehen wird, es ist noch nicht so fassbar. Das wird also ein sehr dynamischer, ein aktiver Stand werden.“

körpernah – Anneliese Abdinghoff

Der Studiengang Produktdesign an der Bauhaus-Universität Weimar stellt auch erstmalig auf der Grassimesse ausgewählte Projekte von Studierenden aus. Sie werden mit ganz unterschiedlichen Positionen kommen, von der Keramik bis zum Industrie-Produktdesign: Spannend zu sehen wie breit sie aufgestellt sind.

Auch die Fachschule Keramik in Höhr-Grenzhausen hat mit ihrer Präsentation von frei gedrehten, aufgebauten und gegossenen Objekten aus Steinzeug und Porzellan Premiere auf der Grassimesse. Das Spektrum reicht von künstlerischen Einzelstücken über funktionale Gebrauchskeramik bis hin zu keramischen Spieltischen. Die Ausstellung zeichnet sich durch gestalterische Vielfalt, hohe Qualität und eine besondere individuelle Handschrift aus. „Viele Ideen, die aber im klassischen Bereich bleiben.“ stellt Sabine Epple fest, „Ich finde das sehr gut. Wir haben so viel experimentelle Keramik, dass so eine Präsentation einen Ausgleich bildet.“

Mitra Shamloo – An Aperture to Dreams (1)

Alle sieben Hochschulbeiträge werden schon unter dem Link https://www.grassimesse.de/aktuell/specials/ online vorgestellt, auch der Beitrag der Gäste aus Norwegen, von der KHiO – Oslo National Academy of the Arts. Deren Studiengang konzentriert sich auf einen experimentellen Ansatz für künstlerische Praktiken, die auf praktischen Fähigkeiten basieren, die in materiellen Traditionen verwurzelt sind, und auf die dringenden Probleme unserer Zeit reagieren.

Die herbstliche Grassimesse wird auch in diesem Jahr alle Qualitäten einer lebendigen News Börse mit der Atmosphäre eines Familienfestes vereinen. Für alle steht die Präsentation neuer Arbeiten und Konzepte im Vordergrund, der Austausch in gestalterischen, technischen, ökonomischen und persönlichen Belangen. Die Messe als Fixpunkt des Jahres ist ein strahlendes Kulturereignis und gleichzeitig ein wichtiger Marktplatz für die Designer*innen, Kunsthandwerker*innen und Künstler*innen, gleich ob sie ihre ersten Erfahrungen hier sammeln oder immer wieder nach Leipzig zurück kehren.

In dieser von Krisen bewegten Zeit ist sie auch für das Publikum von größter Bedeutung. Sie steht für Kontinuität und Verlässlichkeit und beweist auf eindrucksvolle Weise, dass die positiven Kräfte, gute Ideen und kreative Innovationskraft nicht versiegen. Hier kann man sich davon überzeugen, sich anstecken lassen und sogar etwas mit nach Hause nehmen.

 

Hinweise:

Der Freundeskreis des GRASSI Museums für Angewandte Kunst sammelt zur Aufstockung des Ankaufsetats für die Sammlung des Museums. Interessierte Spender können unter dem Stichwort „GRASSIMESSE 2025“ hier dazu beitragen.

 

Ich selbst biete Führungen, so genannte Standgespräche, für interessierte Messebesucher an:
Thema „Resteverwertung – der Reiz einer von Prozessen inspirierten Ästhetik“ mit Schnuppe von Gwinner
Sa, 25.10. 11 Uhr & So, 26.10. 15 Uhr (Startpunkt Café-Foyer)