Ausstellung

Illustration & Gestaltung

Noch bis Sonntag, den 24. September 2023 gibt es die unwiederbringliche Gelegenheit im GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig die Ausstellung „VON BONNARD BIS KLEMKE. Illustrierte Bücher und Mappenwerke aus der Sammlung Wieland Schütz“ zu besuchen. 

Was heißt „besuchen“?

Eintauchen in Bilder – Bücher – Fantasiewelten… auf Zeitreise gehen… und bibliophile Kostbarkeiten in einer selten gebotenen Qualität und Quantität erleben! Literarischen Freunden zu begegnen und neue Lieblingsillustratoren zu entdecken. Sich, alles zurücklassend, in einer verzaubernden Welt der Bücher zu verlieren. 

Diese Ausstellung, basierend auf der umfang- und kenntnisreich zusammengestellten Sammlung des Berliner Grafikers Wieland Schütz, wurde von ihren Kuratoren, dem Museumsdirektor Dr. Olaf Thormann, der Kuratorin der Grafischen Sammlung Karoline Schliemann und dem Ausstellungsgestalter Thomas Moecker, gekonnt inszeniert. 

Blick in die Ausstellung Grassi Museum für Angewandte Kunst Bildarchiv

Ausstellungen von Büchern sind zumeist still, statisch und dunkel – zwangsläufig, zu ihrem eigenen Schutz. Aber auch um dem Besucher individuelle, intime Versenkung zu ermöglichen – bei aller inhaltlichen wie stilistischen Vielfalt und Abwechslung, die nur in Konzentration, in Kontemplation zu erfassen ist. Viele Bücher sind hier aufgeschlagen präsentiert, wie bunte Falter bereit zum Höhenflug in eine andere Sphäre. Eigentlich verlangen Bücher nach blätternden Händen, tastenden Fingern und dem forschenden, lesenden Blick. Das alles ist in einer musealen Ausstellung, zumal von bibliophilen Kostbarkeiten, nicht realisierbar. Doch sie kann dennoch Inspiration sein, den Geist und das Verlangen entzünden, anstiften und beglücken, Besucher aus dieser Schatzkammer heraustreten lassen,  zurück in die laute, schnelle Alltagswirklichkeit, die sich durch die geheimnisvolle Welt der Bücher so wunderbar relativieren und reflektieren lässt.

Der grosse Sommer hat „VON BONNARD BIS KLEMKE“ vielleicht etwas die Schau gestohlen, sodass ich nun, in der verbleibenden Woche, noch einmal dafür werben möchte, sich umzuschauen, vielleicht sogar Anregungen für sich und die lange kalte Jahreszeit zu sammeln. 

Einige renommierte Buchgestalterinnen habe ich gebeten, ihre Eindrücke aus der Ausstellung in Worte zu fassen, um die Lust der Gäste auf einen Ausflug in das GRASSI MAK kurz vor Toresschluss zu beflügeln. Hier ihre Stimmen:

Werner Klemke, Die drei Buckligen aus: Werner Bahner, Neue Belustigungen und fröhliche Plaudereien, Berlin: Aufbau Verlag, 1962; Foto: GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig

Die Illustratorin und Grafikerin Franziska Neubert aus Leipzig freute sich in unserem Gespräch vor allem über die synergetisch wirkende Gleichzeitigkeit der Ausstellung mit der Buchmesse, über die tolle Gelegenheit kostbare historische Buch- und Illustrationsikonen zu betrachten, ebenso wie Layoutskizzen und Arbeitseinblicke. Das Engagement des Sammlungsgebers Wieland Schütz berührt und inspiriert sie, die selbst auch so leidenschaftlich Bücher liebt, gestaltet und sammelt.

Die Buchgestalterin Katja Zwirnmann, die ihr grafisches Atelier auf dem Gelände der Baumwollspinnerei Leipzig betreibt, kommt nach dem Besuch der Ausstellung zu folgendem Schluss: „Es ist eine beeindruckende Sammlung und Präsentation. In vielen Büchern hätte ich sehr gerne weitergeblättert – schön, dass einige auf Video ausführlicher gezeigt werden. Die Schau zeigt auch das Who’s Who der zeitgenössischen Illustratoren, deren Werke von Verlagen wie Faber & Faber und der Büchergilde publiziert werden. Ein Augenschmaus!“

Blick in die Ausstellung Grassi Museum für Angewandte Kunst Bildarchiv

Die Buchkünstlerin Anne Deuter, Mitbegründerin des Raumes für Buchkunst und Zeichnung, „Objekte der Begierde“ im Leipziger Westen kommentiert: „Hinter schützenden Glasvitrinen ruhen in gedimmter Stille aufgeschlagene Bücher und Grafiken. Als Besucherin juckt es mich nach kurzer Zeit in den Händen – ich möchte die Bücher entdecken, sie berühren. Je tiefer ich in die Ausstellung vordringe, umso mehr fällt mir auf, dass der Begriff Buchkunst auf einzelnen Infotafeln immer wieder Erwähnung findet. Und ich frage mich in welcher Beziehung steht der Begriff Buchkunst mit den hier ausgestellten Büchern? Ich würde von illustrierten Büchern, Malerbüchern oder Buchgestaltung sprechen, nicht aber von Buchkunst.“ Aus der Perspektive ihrer eigenen Arbeiten beschreibt Anne Deuter das Künstlerbuch mit all seinen Einzelwerken im Innen und Außen als ein Gesamtkunstwerk – was durchaus auch viele der Exponate für sich in Anspruch nehmen können.

„Und wie ist das mit dem Titel der Ausstellung? Zwei berühmte Künstler betören das Auge. Hätte es nicht auch „Von MATISSE bis MENSCHIK“ heißen können? Das passt zur Feststellung, dass erst 1980 der Name einer Illustratorin fällt. Vielleicht liegt dies auch schlichtweg an der Sammlung von Wieland Schütz und nicht am Grassimuseum.“

Blick in die Ausstellung Foto: vGwinner

Schließlich Sabine Golde, Professorin für Buchkunst an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Sie erlebte die Ausstellung zur Eröffnung und anlässlich eines Besuches mit Studierenden: „Beeindruckt war ich von der Opulenz der gesammelten Werke. Originale aus der Cranach Presse zu sehen, war wieder eine große Freude für mich, da ich mich mit diesen Werken vor 20 Jahren intensiv beschäftigt habe. Aber auch das druckgrafische Werk von französischen Künstlern, was mir noch wenig bekannt war, war sehr beeindruckend. Schön, dass einige Bücher auf den Bildschirmen vergrößert und geblättert wurden. So konnte ich bei einigen den roten Faden des Gesamtwerks Buch gut erkennen, was sonst in der Ausstellung mit nur einer Doppelseite in Vitrinen leider verloren geht. Im zweiten Raum waren viele Arbeiten bekannter Illustratorinnen und Grafikerinnen zu sehen, die mit mir an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) Leipzig studiert hatten. Gerade für die Büchergilde und Matthes und Seitz sind wunderbare Werke entstanden, zum Teil mit Original Grafik in Sondereditionen. Insgesamt bietet die Ausstellung einen wunderbaren Überblick zur Buchgestaltung in ihrer ganzen Fülle über 100 Jahre und ist in den Räumen des Grassimuseums wunderbar inszeniert.

Ich habe das Buch als Ausstellungsgegenstand lange in dem Haus vermisst, wusste ich doch, dass auch in den Archiven einige Schätze schlummern. Umso schöner, dass die Ausstellung jetzt die Buchstadt Leipzig bereichert hat. Was bleiben wird, ist die Erinnerung an die Ausstellung und ein sehr schön gestalteter Katalog.

Ich danke den Fachfrauen für ihre bereichernden Kommentare und Einschätzungen und Wünsche der Ausstellung „VON BONNARD BIS KLEMKE“ in der Zielgeraden noch viele Gäste, die sich im magischen Dunkel der bibliophilen, graphischen und illustrierten Schätze inspirieren lassen möchten.

Öffnungszeiten: Di–So, Feiertage: 10 – 18 Uhr | Freier Eintritt an jedem ersten Mittwoch im Monat!

Mittwoch, 20.09.2023 um 18.00 Uhr „letzte Runde“ Kuratorinnenführung und Mitmachaktion „Seite für Seite“

Sonntag, 24.09.2023 um 11.00 Uhr Führung 150 Jahre moderne Buchillustration