Hintergrund

Jahrespressekonferenz & der “GRASSI Himmel”

Zum Auftakt des Jahres 2025 lud das GRASSI Museum für Angewandte Kunst zur Jahrespressekonferenz unter die ausladende Tapisserie „Schule von Athen“ in der Dauerausstellung ANTIKE BIS HISTORISMUS ein. Diese wurde 1777 im Atelier Audran – Manufacture royale des tapisseries, nach Vorlage der Fresken Raffaels in den Stanzen des Vatikan ausgeführt und ist heute ein Highlight der Ständigen Ausstellung in Leipzig. Nicht nur die konzentrierte Aufmerksamkeit der zahlreich leibhaftig erschienen Journalisten sondern auch die der gewirkten, um die Philosophen Platon und Aristoteles gescharten Philosophen aus Seide und Wolle, schien gewiss.

Jahrespreskonferenz unter der “Schule von Athen” | Foto: SvGwinner

Der Rückblick auf das vergangene 150. Jubiläumsjahr des GRASSI MAK geriet erwartungsgemäß zu einem Rapport der Höhepunkte. Im Jahr 2024 wurde mit insgesamt 109.385 Gästen ein neuer Besucherrekord aufgestellt. Der Anstieg der Besuchszahlen um 19% ist sicher den vielfältigen Angeboten zu verdanken, aber auch der seit dem 1. Januar 2024 geltende Entgeltfreiheit für den Besuch der Ständigen Ausstellungen.
Wachsender Beliebtheit erfreuen sich auch die vielfältigen museumspädagogischen Programme und Workshops, die die Nachfrage bei Weitem nicht abdecken können. Unter all den Superlativen gab es auch für den GRASSI Blog erstaunliche Zahlen: Die jüngsten 14 Beiträge wurden insgesamt. 33.894 Mal besucht!

Sehr intensiv denken die Verantwortlichen der GRASSI Museen darüber nach, wie sie das Museum als dritten Ort – neben Heim und Arbeitsstelle – für die Besucher etablieren können, indem sie Orte des Verweilens sowie Angebote zu schaffen, die die Gäste zum längeren Aufenthalt animieren. Ermutigt werden sie z.B. durch die erste bevölkerungsrepräsentative Studie zu Vertrauen in Museen in Deutschland, die das Institut für Museumsforschung der SPK 2024 veröffentlichte: „Zu den wichtigsten Erkenntnissen gehört unter anderem, dass Museen im persönlichen und institutionellen Umfeld das höchste Vertrauen nach Familie und Freunden und vor Wissenschaftler*innen und Medien genießen. Sie erzielen die höchsten Vertrauenswerte unter allen öffentlichen Einrichtungen. Menschen, die Museen als neutral und unparteiisch wahrnehmen, vertrauen diesen wesentlich stärker als diejenigen, die diese Neutralität nicht anerkennen.“ (Die komplette Studie zum Download)

Zentrales Thema der Pressekonferenz waren u.a. auch die zahlreichen Schenkungen und Neuerwerbungen zur Ergänzung der Sammlung. Insgesamt 2.184 Kunstobjekte aus den Bereichen Kunsthandwerk, Design, Grafik, Buch und Fotografie hat das Museum erhalten bzw. erworben. Dabei handelt es sich zum größten Teil um Schenkungen sowie um 140 Ankäufe. Der Wert dieser Neuerwerbungen beläuft sich auf ca. 1,5 Millionen Euro. Auf besonders spektakuläre Objekte werde ich hier in kommenden Beiträgen eingehen.
Der Blick zurück wurde vom berechtigten Stolz aller Beteiligten getragen, der Ausblick verspricht kaum weniger attraktive Angebote, Ausstellungen und Veranstaltungen für das Jahr 2025, auf die ich auch zu gegebener Zeit zurückkommen werde.

Josef-Albers-Fenster| Foto: SvGwinner

Eine wahrhaftige Überraschung hatte sich Museumsleiter Dr. Olaf Thormann für den Abschluss der Pressekonferenz aufgehoben. Die Schar der Konferenzteilnehmer folgte ihm hinauf, über das großzügige Treppenhaus aus rotem Stein, flankiert von den unvergleichlichen Josef-Albers-Fenstern. Bisher war der Aufgang im 2. Obergeschoss abgesperrt, kein Durchkommen. Doch nun geht es weiter hinauf, bis in den 3. Stock, in den man über beidseitig aufeinandertreffende Treppenläufe auf einer Freitreppe bis in den „GRASSI Himmel“ steigen kann.

Diese Gemeinschaftsfläche der drei Museen im GRASSI wurde jetzt aus ihrem jahrelangen Dornröschenschlaf erweckt. Das Treppenhaus findet sein adäquates Ziel in einem wohlproportionierten Raum unter der berühmten Ananas, dem Wahrzeichen des GRASSI.

GRASSI Museum – unter der Ananas die Gaube mit den schmalen Fenstern des “GRASSI Himmels” | Foto: GRASSI Museum

Wendet man sich nach dem Aufstieg um, blickt man auf die wunderbar gestalteten Glasflächen der Josef-Albers-Fenster. Gegenüber strömt durch vier schmale, hochliegende Fenster das Tageslicht. Probeweise stand dort vor zwei Jahren ein Gerüst, von dem aus man durch die Fenster weit hinaus in die Stadt, bis zum Augustusplatz schauen konnte. Dieser Blick bestätigte die erste Idee zur Gestaltung dieses Ortes, der nun als ein Ausstellungsraum wiedergewonnen wurde – aktuell mit Fotografien aus der Serie „Contest“ des Leipziger Fotografen Erasmus Schröter bestückt. Doch er kann für unterschiedlichste Veranstaltungen und Aktionen allen drei GRASSI Museen zu Gute kommen, alle können davon profitieren.

GRASSI Himmel | Foto: SvGwinner

Der Gestalter Thomas Moecker formuliert Kontext und Form für eine projektierte Treppenskulptur mit dem Titel „Offene Stadt“ in Anlehnung an Studien von Richard Sennett. „Wir kamen schnell dazu zu sagen, wir bauen eine Treppe. Keine Erweiterung der Architektur, sondern eine eigene Skulptur, die eigentlich nur dann funktioniert, wenn man sie nicht an das Gebäude andockt, sondern wenn man sie frei, für sich alleine stehend, baut.“ Auf einem Sockel der die Lasten gleichmäßig über die Fläche verteilt. Dieser Sockel hat Sitzhöhe, sodass die Aufenthaltsqualitäten des Raumes noch verbessert werden. Und die Skulptur soll natürlich – von maximal zwei Menschen gleichzeitig – begehbar sein.

Thomas Moecker, Papiermodell “Offene Stadt” | Foto: Thomas Moecker

„Die Skulptur soll dem Gesamtgebäude im Innern einen guten Abschluss geben und den Ausblick ermöglichen, der es schafft, sich selber zu verorten und es auch schafft, den Raum als einen demokratischen Raum zu teilen. Jeder kann in dieses Museum kommen, es ist nicht begrenzt oder limitiert. Jeder kann hineingehen, in das oberste Geschoss steigen und aus dem Fenster hinausschauen um sich direkt in der Stadt zu verorten.“, so Moecker.

Noch steht ein weißes Papier-Modell unter den Fenstern. Sehr bald wird es durch den Aufbau der finalen Skulptur ersetzt. Dann wird der „GRASSI Himmel“ viele Besucherinnen und Besucher zu sich hinauf locken. Auf ihrem Weg werden sie die Großzügigkeit des Treppenhauses, die strahlend-strenge Schönheit der Josef-Albers-Fenster, den Blick über die Stadt – die Magie gelungener Architektur erleben.

Erasmus Schröter, aus der Serie CONTEST, Fotografie

09.01.-13.07.2025
ERASMUS SCHRÖTER. CONTEST
3. OG, GRASSI Himmel
Das Museum zeigt die beeindruckenden Fotoserie CONTEST des Leipziger Fotograf Erasmus Schröter (1965-2021). Die Serie zeigt Portraits junger Menschen auf dem Wave-Gotik-Treffen in Leipzig aus den Jahren 2011 bis 2018. Seine Fotografien spielen mit und lassen uns über Themen wie Identität und gesellschaftliche Positionierung reflektieren.